Plötzlich ein knappes Gut - selbst Russland muss helfen

Hamburg. Ein simples Gerät ist in diesen Tagen der Not buchstäblich über Nacht zur Rarität geworden, der Sandsack. Ob aus Jute oder Plastik - er ist in unserer viel zitierten hoch technisierten Welt das einzige Mittel, sich auch nur einigermaßen vor der Wucht der Elemente zu schützen. Nun geht den Tausenden von Helfern, die rund um die Uhr gegen die ansteigenden Fluten anzukämpfen versuchen, langsam das Dämmmaterial aus. Rund zehn Millionen Stück sind seit Ausbruch der Katastrophe in die betroffenen Gebiete geschafft worden. "In Deutschland ist kaum noch ein Sandsack aufzutreiben", klagt Günter Bumiller von der Nürnberger Feuerwehr. Er leitet die "Taktische Sandsackreserve Deutschland", eine Spezialeinheit, die zentral die Beschaffung für alle Hochwassergebiete der Elbe und ihrer Zuflüsse koordiniert. Logistische Zentren sind die Flughäfen Leipzig und Hagenow (Sachsen-Anhalt). Dort landen die Transportmaschinen der Bundeswehr und privater Fluggesellschaften, und von dort werden die Säcke mit Lastwagen in die Krisengebiete gebracht. Ohne Hilfe aus dem Ausland könnten die rund eine Million Sandsäcke täglich überhaupt nicht mehr auf die gefährdeten Deiche geschichtet werden. Spanien, Frankreich und das vom Hochwasser selbst schwer betroffene Österreich schicken containerweise Sandsäcke. Und die Niederlande, die wegen ihrer flutbedrohten Küste ständig Millionen von Sandsäcken in Bereitschaft lagern, spendeten spontan 3,5 Millionen Stück. Ein deutscher Hersteller räumte sein Lager im italienischen Parma mit vier Millionen Säcken. Um sie nach Hagenow zu schaffen, wurde eigens eine russische Transportmaschine geordert. Sie kam aus Bratislava, der slowakischen Hauptstadt, deren Bewohner kaum damit begonnen haben, den Donauschlamm aus ihrer gerade wieder begehbaren Altstadt zu schippen. Unglaublich, aber wahr: Es gibt Leute, die mit der Not ihren Reibach machen wollen. Sandsäcke, die vor der Flut noch 25 Cent kosteten, bieten sie jetzt für 50 bis 60 Cent an.