Hamburg. Grünen-Chefin Claudia Roth hat in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt eine neue Energie-Politik gefordert. ABENDBLATT: Frau Roth, es gibt Kritiker, die werfen den Grünen vor, jetzt, im Angesicht der Flutkatastrophe, die Umwelt als Wahlkampfschlager entdeckt zu haben. CLAUDIA ROTH: Wer so etwas behauptet, betreibt ablenkenden puren Zynismus. Ich bin seit Tagen tief bedrückt über das, was in Deutschland passiert. Ich denke an die Menschen, an ihre aktuelle Situation. Es wäre doch völlig unverantwortlich, nicht darüber zu reden. Wir müssen jetzt fragen: Was sind die Ursachen dafür, was muss mittel- und langfristig getan werden, um solche Katastrophen zu verhindern? ABENDBLATT: Nennen Sie doch ein paar Beispiele. ROTH: Der Klimawandel spielt eine Rolle. Eine Erwärmung um 0,6 Grad hat den Wasserspiegel in den letzten Jahren um 20 Zentimeter erhöht. Es verdunstet mehr Wasser, damit gibt es auch mehr Niederschläge. Deshalb spüren auch wir diese Änderungen verstärkt. Der ignorante Umgang mit den Flüssen trägt auch dazu bei. Da wurde eine Art Schnellstraßenlogik zu Grunde gelegt. Die Flüsse wurden den Schiffen angepasst und nicht umgekehrt. Die Folge war: Das Wasser fließt immer schneller. Diese Gewalten wurden dadurch immer weniger beherrschbar. Andererseits fehlen nötige Ausgleichsflächen, in die das Hochwasser ausweichen kann. ABENDBLATT: Was ist nun die politische Konsequenz? ROTH: Wir Grünen weisen doch seit 20 Jahren darauf hin, dass es beispielsweise mit der Versiegelung der Flächen nicht mehr so weitergehen kann. Das von uns initiierte Bundesnaturschutzgesetz bietet jetzt eine Voraussetzung, da Abhilfe zu schaffen. Auch wenn die Union im Bundesrat dagegen war - übrigens zusammen mit der PDS. Zwei weitere Beschlüsse wurden gefasst, die unmittelbar mit dem Themenkomplex zusammenhängen: Ein Gesetz zur umweltverträglichen Binnenschifffahrt und zum umweltverträglichen Ausbau der Donau in Bayern. Wir haben also viele wichtige Maßnahmepakete eingeleitet in den vergangenen vier Jahren. Union und FDP waren aber immer dagegen. ABENDBLATT: Da passt es Ihnen jetzt gewiss gut ins Wahlkampfkonzept, dass die Union keinen Umweltexperten im Kompetenzteam hat. ROTH: Die Union wird jetzt Opfer ihrer eigenen Ignoranz gegenüber der Umweltpolitik. Die Menschen spüren das sehr genau. Das hat mit unserem Wahlkampf gar nichts zu tun. Wir haben diese Ignoranz immer kritisiert und tun das natürlich auch jetzt. Wir haben schon lange vor 1998 einen ökologischen Umdenkprozess in Gang gesetzt. Es ist bekannt, dass Umweltschutz auch Arbeitsplätze schafft. Dafür treten wir ein. Die Grünen werden auf jeden Fall an der Schaffung einer neuen Energiepolitik festhalten. ABENDBLATT: Sollte es mit der Wiederwahl klappen: Weiter mit der SPD? ROTH: Wir wollen Reformpolitik machen. Und die geht nur mit der SPD. Keinesfalls wollen wir eine Ampel-Koalition oder einen Pakt mit der PDS. Mit diesen Strukturkonservativen kommt nicht mal eine Duldung in Frage. Interview: Günther Hörbst, Frank Ilse, Franz-Josef Hutsch