ARD-Kriegsreporter Stephan Kloss: seine Arbeit, seine Ängste - und wie er das aushält.

Hamburg. Er klingt erschöpft. Und er ist es auch. Nacht für Nacht fährt Stephan Kloss mehrmals von seiner Matratze hoch, wenn draußen die Raketen einschlagen. "Das ist meistens so zwischen zwei und drei Uhr", sagt er. Letzte Nacht sei ein Marschflugkörper direkt über sein Hotel geflogen. "Ich habe es zischen gehört." Dann sei das Geschoss auf der anderen Seite des Flusses detoniert. "Mein Gott", habe er da gedacht, "das ist richtig Krieg, da gehts um Tote und Verletzte und Zerstörung." Stephan Kloss (33), freier Journalist und derzeit in Diensten der ARD, ist einer der drei in Bagdad verbliebenen deutschen Fernsehreporter. Er hatte sich vorletzte Woche auf eigene Faust in die irakische Hauptstadt aufgemacht, nachdem er gehört hatte, dass der reguläre ARD-Korrespondent Jörg Armbruster die Stadt verlassen wollte. Krieg ist nichts Neues für Kloss. Im vergangenen Jahr hat er schon aus Afghanistan berichtet. "Aber ich bin trotzdem sehr überrascht, wie mächtig der Eindruck dieses Krieges ist", gesteht er im Telefonat mit dem Hamburger Abendblatt. "Man weiß nie, wo die nächste Rakete einschlägt. Immerhin haben ja einige schon ihr Ziel verfehlt." Kloss wohnt im Hotel Pelestine, einen Steinwurf vom Ostufer des Tigris entfernt, Mitten im Zentrum Bagdads. Zum Schlafen geht er in einen Schutzraum, seit in der Nacht von Freitag auf Sonnabend bei einer schweren Detonation in der Nähe eine ganze Fensterfront des Hotels herausgerissen wurde. "Das ganze Gebäude hat dabei so gewackelt, dass ich hingefallen bin", berichtet er und betont noch einmal: "Krieg ist eben kein Computerspiel." Sein Tag beginnt um halb sieben. Selbst dann, wenn er nach den nächtlichen Einschlägen noch einmal einnicken konnte, fühlt er sich jeden Morgen "wie gerädert". Irakische "Freunde", die Kloss nicht näher beschreiben will, um sie nicht in Gefahr zu bringen, machen ihm Frühstück. "So richtig zünftig", sagt er. "Die sind ganz lieb." Aber alle trügen Pistolen oder Kalaschnikows mit sich herum, denn "wenn es zu Straßenkämpfen kommt, will jeder sein eigenes Haus verteidigen". Mit diesen "Freunden" hört er sich die irakischen Nachrichten und die Berichte anderer arabischer Sender an, die sie ihm übersetzen. So macht sich Kloss früh morgens ein erstes Bild über die Lage. Nach den Anrufen deutscher Rundfunk-Kollegen, denen er die Neuigkeiten aus der Nacht schildern muss, fährt Kloss - sofern nicht gerade die Alarmsirenen heulen - ins Pressezentrum, das im Informationsministerium auf der anderen Seite des Tigris untergebracht ist. Auf dem Weg dorthin verschafft er sich einen Eindruck davon, was in der Nacht alles zerstört wurde. Im Pressezentrum tauscht er sich mit den Kollegen aus aller Welt aus und schaut sich an, was die vielen dort aufgeschalteten internationalen TV-Stationen zu berichten haben. Das Leben auf den Straßen Bagdads läuft seit Kriegsbeginn zwar keinesweg normal weiter, doch die Bevölkerung hat sich noch nicht verkrochen. Selbst bei Alarm fahren noch Autos über die Flussbrücken, und auch nach den Raketeneinschlägen blieb - bislang jedenfalls - die Stromversorgung in Takt. "Einige Restaurants haben noch geöffnet", erzählt Stephan Kloss, auch das in seinem Hotel. Allerdings würden allmählich die Lebensmittel knapper - und spürbar teurer. "Es gibt kaum Obst, dafür schlucke ich Vitaminpillen. Der Preis für Kartoffeln ist um das Dreifache gestiegen. Viele Lebensmittel gelangen nicht mehr in die Stadt, weil die Zufahrtsstraßen beschossen werden." Und wie begegnen ihm, dem Deutschen, die Iraker? "Sehr freundlich", betont Kloss. Allerdings sei immer ein Mann des Geheimdienstes in seiner Nähe, der stets sehr misstrauisch dreinschaue. Das ist auch sein Job. Bei der Frage nach seiner Familie daheim, im 3500 Kilometer entfernten Deutschland, bleibt Kloss wortkarg. Ob er sie denn auch mal anrufe? "Sporadisch", sagt er. Und: "Je nach dem." Und wie lange will er noch bleiben - bis zum bitteren Ende? "Ja. Es wird irgendwann ein Ende geben. Ob es bitter ist oder nicht, wird sich noch herausstellen."