Amerika ist erschüttert über die Bilder von getöteten und gefangenen Soldaten.

Washington/Genf/Bagdad. Noch nicht mal eine Woche nach Kriegsbeginn rütteln die Nachrichten von gefangenen und gefallenen US-Soldaten die amerikanische Öffentlichkeit auf. Damit hatte man nicht so schnell gerechnet. Doch während Erfolgsmeldungen über das Vorrücken der Alliierten rund um die Uhr im Fernsehen zu sehen sind, bekam das US-Publikum die rund um den Globus gezeigten Bilder des irakischen Fernsehens von amerikanischen Todesopfern und Gefangenen zunächst meist nur in kurzen Ausschnitten zu sehen. Die US-Sender beugten sich bis auf CBS damit zumindest teilweise der Forderung der Regierung, auf die Ausstrahlung vorerst zu verzichten. Nach eigenen Angaben, weil sie Angst vor Zuschauerprotesten und vor einer Verletzung der Genfer Konvention hatten. US-Präsident George W. Bush hat nach Angaben aus Regierungskreisen in Washington Sequenz von US-Kriegsgefangenen in Irak gar nicht gesehen. Dies seien "fürchterliche Bilder", und MSNBC zeige sie nicht, sagte Moderator John Siegenthaler. ABC-Nachrichtenchef David Westin betonte, es habe keinerlei "Nachrichtenwert", die Leichen der US-Soldaten zu zeigen. Diese Aufnahmen seien gemacht worden, "um Menschen in Unruhe und Wut zu versetzen". Tatsächlich sind die Aufnahmen geeignet, der US-Öffentlichkeit einen schweren Schock zu versetzen. Zu sehen sind die Leichen von mehreren Soldaten in US-Uniformen, die in Blutlachen liegen. Einige von ihnen wurden offenbar aus nächster Nähe in den Kopf geschossen. Ein Iraker dreht lächelnd eine der Leichen in Richtung Kamera. In einer anderen Sequenz sind fünf eingeschüchterte und nervöse US-Gefangene zu sehen, die nach Namen, Herkunft, Alter und den Gründen ihres Einsatzes im Irak befragt werden. "Ich befolge Befehle", antwortet einer von ihnen - es ist Joseph Hudson, der bereits von seiner Mutter identifiziert wurde. In anderen Ländern wurden die Aufnahmen vereinzelt gezeigt. Auch in Deutschland. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hat unter anderem deshalb die TV-Berichterstattung über den Irak-Krieg verurteilt. "Die Dauerberichterstattung, die wir in behaglichen Sesseln verfolgen, schläfert im Blick auf die Grausamkeit gefährlich ein", sagte Lehmann in einem Gottesdienst im Mainzer Dom. Wenn Angst erfüllte Gefangene im Fernsehen gezeigt würden, werde mit Bildern Politik gemacht. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender rechtfertigte unterdessen die Ausstrahlung der Filmaufnahmen von amerikanischen Kriegsgefangenen im Irak. Zwar sei es völkerrechtswidrig, Kriegsgefangene zu filmen und mit Namen zu nennen, das ZDF sehe bei sich aber eine Dokumentationspflicht. Der Sender werde auch Bilder senden, "die den Krieg in seiner scheußlichsten Form zeigen", sagte Brender. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte, das Verbreiten von Bildern mit Kriegsgefangenen verstoße gegen Artikel 13 der Genfer Konvention, nach der Gefangene nicht zur Schau gestellt werden dürfen. IKRK-Sprecher Florian Westphal erklärte aber auch, die Genfer Konventionen würden unterschiedlich interpretiert. Nach Ansicht des Roten Kreuzes sei es möglich, Kriegsgefangene zu zeigen, wenn diese nicht als Individuen erkennbar seien. So könnten Bilder eines Gefangenenlagers als Ganzes oder einer Gruppe Gefangener gesendet werden. Die einzelnen Gefangenen dürften jedoch nicht erkennbar seien. Der irakische Informationsminister Mohammed Saeed el Sahhaf kündigte weitere Aufnahmen von Gefangenen an. Gleichzeitig sollten jedoch die Genfer Konventionen eingehalten werden. Das IKRK hat die Kriegsparteien auch aufgefordert, der Organisation Informationen über Kriegsgefangene zu übermitteln. Eine Mitteilung Iraks über gefangene US-Soldaten sei noch nicht beim IKRK eingegangen. IKRK-Sprecherin Nadia Doumani sagte, die Organisation habe Kontakt zum Irak, den USA und Großbritannien aufgenommen. "Sie wissen, wie wir arbeiten, und sie kennen die Genfer Konventionen", sagte Doumani. Die Konventionen aus dem Jahr 1949 ermächtigen das IKRK, Kriegsgefangene zu besuchen und ihre Behandlung zu überwachen. Die US-Armee hält nach eigenen Angaben rund 3000 irakische Kriegsgefangene fest.