Solange sich die Türkei nicht in den Krieg einschaltet, soll die deutsche Besatzung weiter an Bord bleiben.

Berlin. Die Bundesregierung will die deutschen Soldaten jetzt doch nicht im Alleingang aus den Awacs-Aufklärern über der Türkei abziehen. Außenminister Joschka Fischer sagte gestern in Berlin, die Türkei befinde sich nicht im direkten Kriegseinsatz in Irak, wie am Wochenende noch vermutet worden war. Verteidigungsminister Peter Struck versicherte, in jedem Fall die NATO konsultieren zu wollen. Auf deutschen Wunsch wird sich morgen der NATO-Rat mit einer möglichen Kriegsbeteiligung im Irak befassen. Fischer sagte, bei den Aktivitäten türkischer Soldaten im Grenzstreifen zu Irak gehe es um die Abwehr terroristischer Gefahren und um die Betreuung von Flüchtlingen. "Solange dieses so bleibt, sehen wir keine veränderten Bedingungen." Beim Einsatz von Awacs-Maschinen handele es sich um eine Bündnis-Entscheidung, und er habe sich mit NATO-Generalsekretär George Robertson abgestimmt. Auch Struck betonte: "Ich halte es für wichtig, dass die NATO zu einer übereinstimmenden Meinung kommt." Auch mit einem eventuellen Rückzug deutscher Patriot-Raketen soll sich die NATO befassen. Am Wochenende hatte Fischer nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts erklärt, die Bundeswehrsoldaten würden aus den NATO-Maschinen abgezogen, wenn "die Türkei Kriegspartei im Irak werden" sollte. Regierungssprecher Bela Anda fügte gestern hinzu, in diesem Fall wären die Flüge keine defensiven Maßnahmen mehr: "Dann ginge es bei den Awacs-Maßnahmen um den Schutz einer Kriegspartei - also um die Teilnahme an dem bewaffneten Konflikt." Gestern tagte das Sicherheitskabinett erneut, gab aber keine Entscheidungen bekannt. Der mögliche Alleingang der Bundesrepublik rief den Protest der Union hervor. Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, erklärten, ein Abzug könne nur in der NATO entschieden werden. Unionsfraktionsvize Wolfgang Schäuble sagte im Sender Freies Berlin: "Wenn wir anfangen, Alleingänge zu machen, können wir das atlantische Verteidigungsbündnis vergessen." Union und FDP appellierten an die Bundesregierung, durch ein Mandat des Bundestags die deutschen Soldaten in den Awacs-Maschinen aus der "rechtlichen Grauzone" zu holen. Die FDP forderte eine Sondersitzung des Parlaments in dieser Woche. Das Bundesverfassungsgericht, bei dem die FDP deswegen eine Klage eingereicht hatte, forderte gestern die Bundesregierung auf, bis heute um 10 Uhr Stellungnahmen abzugeben. Die Argumentation des Kanzlers, es handle sich bei dem Einsatz der rund 20 Soldaten an Bord der Aufklärungsflugzeuge um einen Routine-Einsatz, entspreche nicht der Wirklichkeit, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. "Unsere Soldaten fliegen dort keine Routine-Einsätze, sondern sie sind in einer gefährlichen Situation, und dazu bedarf es auch der Rückendeckung des gesamten Bundestages."