Mit Drohungen versuchen Saddams Schergen die Menschen zum Bleiben zu bewegen.

In den Nachbarländern des Irak herrscht gespannte Ruhe. In Syrien sind am Sonntag 14 irakische Flüchtlinge angekommen. Doch die von vielen erwarteten großen Flüchtlingsströme sind bis jetzt ausgeblieben. Warum? Exil-Iraker berichten, dass ihren Verwandten von den Schergen Saddam Husseins angedroht wurde, ihre Häuser anzuzünden, falls sie sie verlassen würden. Und noch sind die irakischen Verwaltungsstrukturen intakt. Auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen vermuten, dass Fluchtwillige Bedrohungen ausgesetzt sind - vom eigenen Militär einfach erschossen werden könnten. Die unwirtliche Landschaft des Iraks, Angst vor Plünderungen und Geldmangel halten zusätzlich viele von der Flucht ab. "Wir haben bisher, ehrlich gesagt, auch keinen Flüchtlingsstrom erwartet", so der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Peter Kessler, "denn noch gibt es im Irak keine richtigen Kämpfe, bei denen Zivilisten betroffen sind." In diesem Fall erwartet das UNHCR, das im Moment 200 Mitarbeiter in der Region hat, bis zu 600 000 Flüchtlinge. So sind im Nordirak nach Schätzungen der Vereinten Nationen derzeit bis zu 300 000 Flüchtlinge unterwegs. Nach Angriffen auf die Städte Mossul, Kirkuk und Dohuk und wegen der Gefahr eines türkischen Einmarsches sollen rund 85 Prozent der Bevölkerung die Städte verlassen haben. Die verunsicherten Menschen versuchen zu Verwandten in den Bergregionen und Kurdengebieten zu flüchten. Mitarbeiter von Caritas International berichten von 1200 Menschen, die in die östlich von Mossul gelegene Stadt Karakosh flüchten. Dort werden sie von Caritas-Mitarbeitern mit Medikamenten, Nahrungsmitteln und Decken versorgt. Auf Grund der weiter bestehenden Absperrung des türkisch-irakischen Grenzgebietes sind die meisten Flüchtlinge für internationale Hilfsorganisationen nicht erreichbar. Das UNHCR kritisierte, dass alle Nachbarstaaten des Irak ihre Grenzen für Flüchtlinge geschlossen halten und die Flüchtlingslager an den Grenzen im Niemandsland auf irakischer Seite errichten wollen. Derzeit gibt es nur ein Flüchtlingslager, das bereits komplett errichtet wurde. An der irakisch-jordanischen Grenze, an den Grenzübergängen Ruweisched und El Karama, haben Mitarbeiter des UNHCR und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) ein Zeltlager mit Duschen und chemischen Latrinen für 25 000 Flüchtlinge errichtet. Doch das Lager ist leer. Die meisten Hilfsorganisationen warten deshalb noch ab und möchten die Hilfsgüter dann im Ernstfall schnell und flexibel verteilen. "Die Menschen flüchten in Panik, und man muss die Lager dort aufbauen, wo sie hinlaufen", so ein Sprecher des Roten Kreuzes. Das IKRK hat Hilfsgüter für bis zu 300 000 Menschen im Irak und den Nachbarländern gelagert. Im Ernstfall können innerhalb von Stunden Lager errichtet werden. Die Malteser halten an der türkisch-irakischen Grenze Trinkwasseraufbereitungsanlagen bereit, die Organisation ADRA Deutschland e.V. hat dort Lebensmittel- und Hygienepakete gelagert. Nur wenige Organisationen, wie Care und Caritas International, haben Mitarbeiter im Irak. Care-Mitarbeiter sichern die Wasserversorgung in Bagdad, Caritas-Mitarbeiter leisten in Basra und Bagdad erste Hilfe und verteilen Hilfsgüter. Sie bestätigten, das in Basra 75 Zivilisten getötet und rund 300 verletzt wurden. Zudem gebe es weder Strom noch Wasser in der Stadt. Fast alle Hilfsorganisationen finanzieren sich durch Spenden. Doch die fließen zögerlich. "Die Menschen sind gegen diesen Krieg", versucht Linda Tenbohlen, Pressereferentin bei Caritas International, zu erklären.