Berlin. Der Wirtschaftsminister erklärt, wie man mit Wärmepumpen Geld spart und welche unbekannten Ausnahmen es gibt.

Robert Habeck sitzt im Auto, auf dem Weg in eine kurze Osterpause. Die letzten Wochen waren hart, gerade für ihn, es hagelte Kritik. Am Telefon schildert der Wirtschaftsminister, wie es weitergehen soll beim Heizungstausch, beim Energiesparen – und mit der Ampel.

Herr Habeck, wann findet die Ampel aus der Krise? Zwei Drittel der Deutschen – das zeigen Umfragen – sind mit der Arbeit der Koalition unzufrieden.

Robert Habeck: Wir haben ein sehr ehrgeiziges Programm – und vieles auch schon geschafft. Gerade im letzten Jahr haben wir gezeigt, was dieses Land kann, wenn alle zusammenstehen. Wir haben in einer sehr ernsten Energiekrise die Lage stabilisiert. Wir sind sicher durch den Winter gekommen, und auch die Wirtschaft hat sich nach den jüngsten Zahlen der vergangenen Tage zum Glück schneller erholt als das erst prognostiziert war. Ich will aber nicht abstreiten, dass wir in den vergangenen Wochen als Regierung kein schönes Bild gegeben haben. Der Ton war manchmal zu harsch. In der Sache aber ist es notwendig, dass wir miteinander um die richtige Lösung ringen. Wir wollen es uns nicht bequem machen und alles aussitzen wie die große Koalition. Das Land hat viel aufzuholen.

Im Koalitionsausschuss haben Sie 30 Stunden gerungen. Kommen Sie mit Christian Lindner seither besser aus?

Habeck: Das menschliche Einvernehmen in der Koalition ist sehr gut. Trotz vieler Herausforderungen und viel Arbeit lachen wir auch viel. Es kommt darauf an, dass wir uns auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren, für Deutschland zu handeln - und nicht für die eigene Twitter-Followerschaft. Und der Koalitionsausschuss hat inhaltlich Blockaden gelöst. Seitdem sind drei Gesetze allein aus meinem Bereich geeint worden, die festgehangen haben: das Energieeffizienzgesetz, das Gebäudeenergiegesetz und die Reform des Wettbewerbsrechts. Letzteres hat das Kabinett bereits verabschiedet; die zwei Energiegesetze folgen noch in diesem Monat.

Es gibt zwei Verlierer des denkwürdigen Koalitionsgipfels: den Klimaschutz und die Grünen. Warum lassen Sie zu, dass 144 Autobahnprojekte beschleunigt gebaut werden?

Habeck: Ich möchte der Beschreibung deutlich widersprechen. Für mich ist entscheidend: Bringen wir das Land weiter voran und holen wir auf, was Vorgängerregierungen über Jahrzehnte versäumt haben? Da ist die eindeutige Antwort ja. In der Energieversorgung, der Industrie, jetzt dem Gebäudebereich haben wir seit Regierungsbeginn große Strukturveränderungen aufs Gleis gesetzt. Sogar im Verkehr – der Ausstieg aus dem fossilem Verbrennungsmotor kommt EU-weit. Und im Koalitionsausschuss haben wir Planungsbeschleunigung für alle wichtigen Infrastrukturen beschlossen, angefangen bei den Erneuerbaren, Stromnetzen, Schienen, Brücken. Die jetzt benannten Engpässe bei den Straßen werden schneller beseitigt, weil sie dem überragenden öffentlichen Interesse zugeordnet werden. Wenn man weiß, welche Projekte man bauen will, kann man die auch schneller bauen. Es geht mir darum, es an konkreten Bedarfen fest zu machen und nicht einfach alle Straßen undurchdacht und quer durch die Landschaft schneller zu bauen. Daher haben wir die Liste mit Engpässen auf Autobahnen unter den Vorbehalt der Länder gestellt.

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Sie setzen darauf, dass die Grünen in den Ländern den beschleunigten Autobahnbau verhindern.

Habeck: Nein. Es ist vereinbart, dass bei der Beseitigung der Autobahn-Engstellen die jeweiligen Länder zustimmen müssen. Das ist eine Priorisierung nach dem konkreten regionalen Bedarf. Es geht darum, das Sinnvolle zu tun. Deswegen werden die Länder mitreden, welche Projekte vorrangig sind. Im Übrigen sind mit diesem Gesetz auch 4500 Kilometer Schiene in die beschleunigte Genehmigung gegangen - ohne dass es der Zustimmung der Länder bedarf. Und die Finanzierung erfolgt ganz wesentlich aus einer CO2-Zulage bei der Lkw-Maut. Die Straße finanziert die Schiene – das ist neu und bricht das bisherige Denken auf. Das ist wichtig für mehr Klimaschutz im Verkehr.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, l), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, betont sein gutes Verhältnis zu Außenministerin Baerbock.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, l), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, betont sein gutes Verhältnis zu Außenministerin Baerbock. © dpa | Christoph Soeder

Das Gesetz zur Wärmewende - das neue Gas- und Ölheizungen vom kommenden Jahr an praktisch verbietet – hat Millionen Haushalte verunsichert. Für wen wird es nun teurer?

Habeck: Es ist ein Gebot des Klimaschutzes und des Verbraucherschutzes, keine neuen Öl- und Erdgasheizungen einzubauen. Ich weiß, dass die Debatte verunsichert, denn natürlich wirken die neuen Regeln für Heizungen voll ins Private rein und bedeuten Veränderung im Konkreten. Das müssen wir gut erklären. Wichtig ist: Es kommt ja niemand bei den Menschen ins Haus und reißt eine funktionierende Heizung raus. Funktionierende Heizungen dürfen weiter genutzt werden und kaputte dürfen so lange repariert werden, wie man sie reparieren kann.

Sie haben nicht beantwortet, wer draufzahlt.

Habeck: Erstmal muss man wissen: Die Preise für Erdgas und Heizöl werden ab 2027 durch den EU-Emissionshandel kontinuierlich steigen. Allein schon deshalb sollte man bei einer so langfristigen Investition wie einer Heizung auf Erneuerbare setzen. Aber klar, im Moment sind Wärmepumpen in der Anschaffung teuer als Gasheizungen. Deshalb werden wir den Menschen beim Umstieg mit einer finanziellen Förderung unter die Arme greifen.

Wer die Heizung tauscht, spart – wollen Sie das sagen?

Habeck: Das Gesamtgeschäft geht gut aus für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Über einen Zeitraum von 18 Jahren rechnet sich die Wärmepumpe. Außerdem werden die Preise bald sinken. Deswegen wäre Torschlusspanik wirklich falsch. Niemand sollte jetzt noch schnell eine Öl- oder Gasheizung einbauen. Die fossilen Energien sind eine Sackgasse, keine Spardose.

Wie wird der Sozialausgleich denn aussehen? Finanzminister Lindner plädiert für Abwrackprämien, die sich nach dem Alter der bisherigen Heizung richten.

Habeck: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Eine Anknüpfung an das Alter einer Heizung setzt beim Klimaschutzeffekt an. Das ist ein wichtiger Aspekt, aber wir müssen dann schauen, wie wir den sozialen Ausgleich sicherstellen. Mir ist wichtig, dass gerade Menschen mit unteren und mittleren Einkommen eine klare Unterstützung bekommen. Wir beraten das Konzept aktuell in der Bundesregierung intensiv. Es soll zeitlich parallel zur Kabinett-Befassung des Gesetzes fertig sein.

Sie planen Ausnahmen beim Heizungstausch für über 80-Jährige. Verfassungsjuristen sprechen von Willkür. Lassen Sie das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Habeck: Wir wollen für hochbetagte Menschen eine pauschale Ausnahme einführen. Wenn ihre Heizung kaputt geht und irreparabel ist, müssen sie nicht aufs erneuerbare Heizen umstellen. Ich finde es richtig und naheliegend, hier großzügig zu sein. Bei der Altersgrenze haben wir uns an den Rückmeldungen aus der Praxis orientiert. Schon heute können Menschen ja - egal ob sie 35, 50 oder 80 Jahre alt sind - bei den Landesbehörden einen Antrag stellen, wenn ein Heizungstausch nach dem bestehenden Recht nötig wäre, aber eine unbillige Härte bedeuten würde. Und da werden häufig Ausnahmen für Menschen über 80 gemacht. Daher werden sie jetzt quasi pauschal von der Antragspflicht befreit. Für alle anderen, also auch für den 79-Jährigen, bleibt die Möglichkeit, konkret eine Ausnahme zu beantragen.

In wenigen Tagen nimmt Deutschland seine letzten drei Kernkraftwerke vom Netz. Ist der Atomausstieg unumkehrbar?

Habeck: Wir setzen mit dem Atomausstieg um, was Union und FDP 2011 beschlossen haben. Die Atomkraftwerke jetzt werden früher oder später in den Rückbau gehen. Und ein Neubau von Atomkraftwerken hat sich immer als ökonomisches Fiasko dargestellt - ob in Frankreich, Großbritannien oder Finnland. Es gibt auch kein Interesse von deutschen Betreibern, neue Atomkraftwerke zu bauen. Unser Energiesystem wird sich anders aufbauen: Wir werden bis 2030 zu 80 Prozent erneuerbare Energien haben.

Vor 62 Jahren nahm das erste Atomkraftwerk in Deutschland seinen kommerziellen Betrieb auf. Am 15. April soll aber endgültig Schluss sein mit der nuklearen Stromerzeugung – auch beim Kernkraftwerk Emsland.
Vor 62 Jahren nahm das erste Atomkraftwerk in Deutschland seinen kommerziellen Betrieb auf. Am 15. April soll aber endgültig Schluss sein mit der nuklearen Stromerzeugung – auch beim Kernkraftwerk Emsland. © dpa | Sina Schuldt

Unternehmen fürchten den Blackout - auch weil aus Russland kein Gas mehr fließt. Können Sie die Sicherheit der Energieversorgung garantieren?

Habeck: Ja. Deutschland und Europa ist es gelungen, trotz wirklich widriger Umstände eine Gasmangellage zu vermeiden. Die Energieversorgungssicherheit in Deutschland wurde in diesem schwierigen Winter gewährleistet und wird auch weiter gewährleistet sein. Wir haben die Lage im Griff durch die hohen Füllstände in den Gasspeichern und die neuen Flüssiggasterminals an den norddeutschen Küsten und nicht zuletzt durch mehr Erneuerbare Energien.

Müssen Bürger und Unternehmen weiter Energie sparen, wie sie es in diesem Winter getan haben?

Habeck: Ich möchte mich ausdrücklich bei den Bürgerinnen und Bürgern bedanken. Ich weiß von vielen Menschen, dass sie wirklich Verzicht geübt haben. Diese Kraftanstrengung hat geholfen, die Gasspeicher in der kritischen Phase vollzukriegen. Wir haben es geschafft, eine schwere Wirtschaftskrise abzuwehren. Und für die Zukunft: Vielleicht kann man sich daran erinnern, dass es möglich ist, Energie effizient einzusetzen. Wir haben auch gesehen, dass bestimmte Sachen ganz einfach waren und trotzdem einen guten Effekt hatten. Energiesparen muss keinen Verlust an Lebensqualität bedeuten.

Ihr Appell lautet also: Weitersparen!

Habeck: Ich selber habe mir vorgenommen, mit Energie nicht zu aasen. Wir werden im kommenden Winter eine bessere Gasversorgungslage haben. Trotzdem ist Energie teuer und ein hoher Verbrauch schadet dem Klima. Es bleibt also sinnvoll, sorgsam mit Energie umzugehen.

Sollen die Menschen dauerhaft auf Vollbäder und längere Duschen verzichten?

Habeck: Das kann jeder für sich entscheiden und mit sich selbst ausmachen. Ich werde in Interviews nicht mehr über Duschzeiten reden. (lacht)

Wie verbringen Sie die Osterferien? Können Sie ein paar politikfreie Tage genießen?

Habeck: Der Himmel ist blau, und ich habe die Hoffnung, dass mit Ostern der Frühling kommt. Das passt ja zum Auferstehungsfest. Vielleicht beginnt ja auch ein politischer Frühling, nachdem der Winter das Land und die Koalition gefordert hat. Ich werde ein paar Tage zu Hause sein und meine Familie treffen. Darauf freue ich mich.

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Apropos politischer Winter: Beobachter aus der Koalition beschreiben den Umgang zwischen Ihnen und Annalena Baerbock als eisig. Alles Unsinn?

Habeck: Das Gerede ist so banal wie falsch. Annalena Baerbock und ich arbeiten eng und vertrauensvoll zusammen. Der Koalitionsausschuss hat gezeigt, dass die grüne Führung wie eine Eins zusammensteht.

Wann entscheiden die Grünen, wer zur nächsten Bundestagswahl als Kanzlerkandidatin antritt? Oder kann es auch ein Kanzlerkandidat werden?

Habeck: Das alles sind jetzt nicht meine Fragen. Ich bin voll auf mein Amt konzentriert, und Sie sehen ja, wie viel da zu tun ist.