Der Sportmediziner kümmert sich in China um die deutschen Beachvolleyballer und lässt dafür seine eigene Praxis einen Monat lang geschlossen.

Hamburg. An seine vergangenen Olympischen Spiele hat Michael Tank eine schmerzhafte Erinnerung. In Athen stand er vor vier Jahren bei der Eröffnungsfeier mitten im Olympiastadion und spürte plötzlich einen unerträglichen Harndrang. Wegen der Hitze hatte er vor dem Einmarsch der Nationen - wie von allen Mannschaftskollegen empfohlen - noch reichlich Wasser getrunken, jetzt aber gab es kein Entrinnen. Eine immer größere Zahl Sportler drängte auf den Rasen und keilte ihn ein. Zweieinhalb Stunden ertrug er die Pein, "ich musste und konnte nicht", dann fand er einen Weg zur Toilette - und endlich Erleichterung.

Wenn sich der Hamburger Hautarzt und Sportmediziner auf die Spiele in Peking freut und dafür sogar seine Privatpraxis im Krohnskamp einen Monat lang geschlossen lässt, dann reizen ihn diesmal nicht mehr irgendwelche Zeremonien, sondern ein Olympia im Spannungsfeld von sportlichen Höchstleistungen, politischen Diskussionen um Meinungsfreiheit und Menschenrechte sowie Wettbewerbe unter extremen klimatischen Bedingungen. "Athen haben die meisten Menschen schnell vergessen, Peking wird vermutlich Generationen im Gedächtnis bleiben", glaubt Tank. Wie? "Darauf bin ich selbst gespannt, deshalb wollte ich dabei sein."

Tank, 47 Jahre alt, ledig, Hobbyvolleyballer mit B-Trainer- und Schiedsrichterlizenz, ist zum zweiten Mal Teamleiter der vier deutschen Beachvolleyball-Paare und zugleich ihr Mannschaftsarzt. Er muss den Tagesablauf der Spieler organisieren, Trainingsplätze besorgen, Transfers koordinieren, die Interessen der Athleten bei Sitzungen und Auslosungen des Weltverbandes FIVB oft bis spät in die Nacht vertreten. Und er hat vor allem der Internationalen Anti-Doping-Kommission und dem ins olympische Dorf abgesandten Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) minutiös die Aufenthaltsorte seiner acht Sportler für jeweils die nächsten 24 Stunden im Voraus mitzuteilen. "Datenschutz", sagt Tank, "ist für Spitzensportler längst zum Fremdwort geworden. Ein spontaner Stadtbummel würde wohl für helle Aufregung sorgen."

Auch für den Mediziner Tank sind die Spiele in Ostasien eine Herausforderung. Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit um die 80 Prozent, in der Schwitzen der Haut keine Kühlung mehr verschafft, erfordern gerade bei Freiluftsportlern spezielle Maßnahmen - zusätzlich zu den inzwischen selbstverständlichen elektrolythaltigen Getränken. Bewährt haben sich beim Beachvolleyball oder Hockey Kühlwesten für die Spieler, die in den kurzen Auszeiten die Körpertemperatur um die entscheidenden Zehntelgrade absenken, Kreislaufstörungen oder gar einen Hitzeschlag vermeiden helfen.

Vor dem Abflug nach Peking hat Tank seine Sportler mit Immunglobulinen geimpft; das gilt als passive Immunisierung vor zahlreichen Krankheiten. Der Schutz reicht gewöhnlich sechs Wochen. "Nichts ist für einen Sportler schlimmer, als den Saisonhöhepunkt im Bett verbringen zu müssen", weiß Tank. Den obligatorischen Durchfall in den ersten Tagen nach der Ankunft, wenn die Darmflora mit ungewohnten Bakterienkulturen konfrontiert wird, können auch diese Spritzen nicht verhindern. 56 der 63 Junioren des Deutschen Leichtathletikverbandes klagten vor einem Jahr in Peking bei Testwettkämpfen über diese Beschwerden. "Deshalb ist es ganz wichtig, frühzeitig anzureisen", sagt Tank, "damit diese Probleme in der Akklimatisierungsphase ausgestanden werden können und nicht während des olympischen Turniers auftreten."

Michael Tank ist mit den deutschen Beachvolleyballern, darunter die Hamburgerinnen Stephanie Pohl/Okka Rau und Sara Goller/Laura Ludwig, gestern Mittag in Peking eingetroffen, zwölf Tage vor den ersten Ballwechseln. In die entscheidende Phase geht die Beachvolleyball-Konkurrenz mit dem Beginn der K.-o.-Runde am Freitag, den 15. August. Das Finale bei den Frauen steht dann am Donnerstag, den 21. August an, das der Männer einen Tag darauf.

Was Michael Tank zunächst am 8. August, dem Tag der bei den Spielen in Athen so strapaziösen Eröffnungsfeier, machen wird, hat er noch nicht entschieden. "Vielleicht schaue ich mir das Ganze im Fernsehen an."