Warum den Tornadoseglern Polgar/Spalteholz das Olympiarevier gefällt.

Hamburg. Johannes Polgar hat seine Bekanntheit in den vergangenen Tagen exponentiell gesteigert. Schuld daran ist seine Begegnung mit Hu Jintao, dem chinesischen Staatspräsidenten. Der hatte am Sonntag das olympische Segelrevier in Qingdao besucht. Das kurze Gespräch mit Polgar wurde im Staatsfernsehen mehrmals wiederholt. 100 Millionen Chinesen mögen es auf verschiedenen Kanälen gesehen haben.

Die Unterredung ist schnell erzählt: "Wie gefällt es Ihnen hier?", fragte Hu. "Gut. Wir sind zufrieden", antwortete Polgar höflich. "Klappt die Organisation?" "Alles läuft reibungslos."

Steuermann Johannes Polgar (30) und Vorschoter Florian Spalteholz (31) sind inzwischen nach Kiel zurückgekehrt. Im Gelben Meer hatten sie verschiedene Segel für ihren Tornado getestet. "Zu 90 Prozent wissen wir jetzt, welches Material wir bei den olympischen Regatten aufziehen werden", sagt Spalteholz. Am 15. August beginnt für sie 600 Kilometer südöstlich von Peking die Medaillenjagd. Ein vierter und sechster Rang bei vergangenen Weltmeisterschaften macht die Crew des Norddeutschen Regatta-Vereins (NRV) in Hamburg zum Kandidaten für vordere Platzierungen. Die schwachen Winde, die schnell wechselnden Bedingungen kommen den Leichtgewichten entgegen. "Das kennen wir aus den Revieren, auf denen wir Segeln gelernt haben", sagt Spalteholz, "Johannes auf einer Talsperre im Sauerland und ich auf der Alster." Die Luftverschmutzung in der Acht-Millionen-Einwohner-Stadt lässt stärkere Brisen nicht zu. Der Temperaturunterschied zwischen Land und Meer, erzählt Spalteholz, "beträgt oft nur ein oder zwei Grad, weil die Sonne kaum durch die dichte Dunstschicht dringt und das Land erwärmen kann".

Qingdao heißt übersetzt "grüne Insel". Das klingt nach Erholung. Das Gegenteil scheint der Fall. "Qingdao ist laut und hektisch. Es ist schwer, dort zwischen den Wettfahrten seine Ruhe zu finden", sagt Spalteholz. Grün ist heute das Meer. Die Algenpest bekämpfen die Chinesen mit 32 Kilometer langen mechanischen Sperren und von Dschunken aus, fischen von dort die pflanzenartigen Lebewesen aus dem Wasser. Doch immer neue Algen wachsen nach. Eine Sisyphusarbeit. "Es ist besser geworden", berichten Polgar und Spalteholz, "an einigen Tagen konnten wir trotzdem nicht rausfahren." Die, die es taten, kenterten. Die Algen hatten sich am Ruder festgesetzt und die Boote manövrierunfähig gemacht. Präsident Hu versprach auf seiner Visite, das Problem bis zu Beginn der Spiele zu lösen.

Vor vier Jahren hatte Polgar die Olympiaqualifikation für Athen verpasst. Im Herbst 2004 holte er sich Spalteholz ins Boot, mit dem er sich als Jugendlicher bei den Optimisten häufig duelliert hatte. "Es war Liebe auf den ersten Blick", scherzt der Auserwählte. Die beiden harmonierten auf dem Wasser, "weil wir die Winde ähnlich lesen und daraus dieselben taktischen Schlüsse ziehen", und wurden an Land Freunde. Der Weltverband hat der Beziehung ein Ende gesetzt.

Nach China wird der Tornado als olympische Klasse ausgemustert. Zu teuer, zu unspektakulär, entschieden die Funktionäre. "Für die nicht olympischen Boote lassen sich kaum Sponsoren finden", sagt Spalteholz, "wir werden uns trennen müssen." Polgar, der später als Manager arbeiten will, denkt an einen Wechsel ins Starboot, Spalteholz, der Architekt, will das Surfbrett testen, Freundin Romy Kinzl fährt es bereits. Zuletzt gewann sie die Kieler Woche. Der Deutsche Segler-Verband wollte sie dennoch nicht mit nach China nehmen.

Weil ihre Wettfahrten eine Woche nach der Eröffnungsfeier starten, werden Polgar und Spalteholz in Peking mit der deutschen Mannschaft ins Stadion einmarschieren. Vor vier Jahren hatte Polgar die Zeremonie am Fernsehen verfolgen müssen. "Damals habe ich mir geschworen, dass mir das nicht noch einmal passiert", sagt Johannes Polgar. Jetzt ist er dabei.