Der 33 Jahre alte Volleyballer, der beim 1. SC Norderstedt als Neunjähriger begann, spielt seit acht Jahren in Italien, der stärksten Liga der Welt.

Köln. Da sitzt er nun in der "Bento-Box", einem japanischen Restaurant in der Kölner Innenstadt, nippt an seinem heißen Grünen Tee und isst Hühnchen in Teriyaki-Soße. Stefan Hübner ist Hamburgs unbekannter Weltstar - zumindest in seiner Heimat. Dabei hat der Mittelblocker in der Volleyballszene ein ähnliches Standing wie der Basketball-Superstar Dirk Nowitzki in der NBA. Und im Gegensatz zu Nowitzki hat sich Hübner mit seiner Nationalmannschaft bereits für die Olympischen Spiele in Peking qualifiziert. "Der Vergleich mit Nowitzki ist nicht ganz falsch", sagt der 33-Jährige ohne Anflug von Überheblichkeit. Das trifft auf die sportliche Bedeutung beider zu, nicht aber auf das Einkommen: Nowitzki kassierte in der vergangenen Serie rund 17 Millionen US-Dollar, war der bestbezahlte deutsche Sportler, Hübner verdient "nur" einen sechsstelligen Euro-Betrag.

Überhaupt macht der Modellathlet mit dem Gardemaß von zwei Metern und dem Gewicht von 92 Kilogramm einen in sich ruhenden Eindruck. "Ich hatte es schon nicht mehr geglaubt, aber in meinem vierten Anlauf hat die Olympiaqualifikation endlich geklappt", sagt Hübner. Mutter Uta wird an der Barmbeker Straße in den Olympiatagen mit der Verwandtschaft vor dem Fernseher mit dem Sportass der Familie mitfiebern. Vater Wolfgang lebt in Freiburg.

In Italien, in der "Lega Uno", der stärksten Liga der Welt, ist Hübner weitaus bekannter, hier wären Autogramme beim Restaurantbesuch Pflicht. Dort wird er "Il Muratore", der Maurer, gerufen, wegen seiner Fähigkeit, die Hände am Netz fast immer da zu haben, wohin der Gegner schmettern will. Um auf Hübners Niveau einen unüberwindbar scheinenden Wall aufbauen zu können, muss man die Taktik des Gegenübers blitzschnell erkennen, präzise im Timing, sprungkräftig und stark in Armen und Händen sein. Seit Jahren blockt und schmettert der viermalige deutsche "Volleyballer des Jahres" auf konstant höchstem Niveau. Bei der WM 2006 in Japan war er zweitbester Mittelblocker des Turniers, wurde von der einflussreichen Sporttageszeitung "Gazzetta dello Sport" in die Weltauswahl gewählt. Seit einem Jahr läuft er für Sisley Treviso auf, dem Volleyballverein, der vergleichbar wäre mit Manchester United im Fußball - mehr kann ein Volleyballer nicht erreichen. "Dort wird einem wirklich alles abgenommen. Die Spieler sollen keine Ausrede haben, wenn sie versagen!"

Unter Versagen wird das Ausscheiden in der Champions League im Halbfinale und das vorzeitige Scheitern in den italienischen Play-offs verstanden, wie es in der abgelaufenen Saison geschehen ist.

"Nächste Serie zählen nur der Meistertitel und der Gewinn des Pokals", weiß der Hamburger, der seit acht Jahren in Italien am Netz arbeitet. Beim 1. SC Norderstedt hatte er als Neunjähriger mit dem Volleyball begonnen und war nach einem Intermezzo beim Zweitligaklub Eimsbütteler TV, über die Erstligastationen Norderstedt, Moers und SCC Berlin nach Italien gewechselt. Nur Olympia blieb bislang ein unerfüllter Traum, nicht nur Hübners, der es 1996 unter der Ägide des Hamburger Bundestrainers Olaf Kortmann erstmals versucht hatte. Auch für den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) war die Qualifikation der Männer zum Trauma geworden. 36 Jahre nach dem letzten Auftritt bei den Heimspielen 1972 in München darf der Verband jetzt wieder ein Team entsenden.

Als Hübner mit 19 Jahren sein Abitur am Gymnasium Harksheider Straße in Poppenbüttel machte, "war für mich klar, dass ich Volleyballprofi werden will", sagt er. Dass es die richtige Entscheidung war, zeigen die Insignien eines Wohlstands, wie der Blackberry auf dem Tisch zum Abrufen der E-Mails oder das Auto aus Ingolstadt, mit dem bis zu diesem Jahr während der Saison die 220 Kilometer zu seiner langjährigen Lebenspartnerin Angelina Grün überbrückt wurden. Grün genießt denselben Stellenwert bei den Frauen des Volleyballsports wie Hübner. Zur nächsten Serie gibt es Kontakt vorwiegend per Skype, dem Internettelefon, wechselt "Grüni" auch nach Zureden Hübners mit Frauen-Bundestrainer Giovanni Guidetti von Bergamo nach Istanbul. Der Vertrag in der Türkei war so lukrativ, dass sie ihn nicht ablehnen konnte.

Das Paar teilt sich als Standort in Deutschland eine Drei-Zimmer-Stadthauswohnung zur Miete in einem gehobenen Kölner Stadtteil. "Köln liegt für uns einfach zentral", erklärt Stefan Hübner, der am Ende seiner Karriere nach Hamburg zurückkehren will. "Am Rhein fühle ich mich wohl, aber Hamburg ist meine Heimat!" Zwei- bis dreimal im Jahr besucht er seine Mutter, die selbst erstklassig als Außenangreiferin schmetterte. "Als erstes geht es in die Mönckebergstraße, eine Currywurst am Stand essen und danach zu Daniel Wischer", beschreibt der Volleyballer sein Heimkehr-Ritual. Trotz grünen Tees und später stillem Wassers geht die Askese nicht so weit.

Der nächste Verzehr einer der Fischfrikadellen wird frühestens nach Olympia möglich sein. "Zumindest die Vorrunde müssen wir überstehen", gibt Hübner als Ziel aus. Vier von sechs Teams ziehen ins Viertelfinale ein, Konkurrenten sind der Weltranglistenerste Brasilien, der -zweite Russland, Vizeweltmeister Polen, Titelverteidiger Serbien und Ägypten. "Wir sind erfahren und gefestigt genug. Überstehen wir die Gruppenphase ist alles möglich", glaubt Hübner.

Es hätte schon eine gewisse Ironie, wenn er, der 2005 nach Ermüdungsbrüchen in beiden Schienbeinen vor dem Karriereende stand, nach dem Beachvolleyball-Paar Axel Hager/Jörg Ahmann als dritter Hamburger Volleyballer eine Olympiamedaille mitbringen würde. Mit den Dritten von Sydney 2000 hat Hübner 1994/95 in Norderstedt in seiner Rookie-Saison gespielt. Nach dem finanziellen Aus der Hamburg Cowboys hat die olympische Sportart in der Hansestadt bei den Männern nur noch eine unterklassige Perspektive. Hübner dürfte der letzte seiner Art sein.

Lesen Sie morgen: Die Hockeyspieler Sebastian Biederlack und Martina Heinlein vom Club an der Alster sind das einzige Hamburger Liebespaar, das nach Peking fliegt. Abendblatt-Partner NDR 90,3 stellt heute in seiner Olympiaserie um 9.20 Uhr den Hockey-Weltmeister Moritz Fürste vor.