In seinem Geburtsort Shrewsbury gibt es ein Festival mit Stadtrundgängen, Lesungen und Theater. Südöstlich von London steht das Haus, in dem er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte.

Eine Reise nach England kann selbst im Winter mit Vogelgezwitscher und Meeresrauschen beginnen. Oder mit dem Betrachten eines exotischen Frosches oder eines giftgrünen Leguans, der sich an einem Baumstamm festklammert. Sie kann auch mit dem Warten vor einem viereckigen Erdloch beginnen oder mit einem Rundgang durch ein schwüles Gewächshaus. Sie kann so beginnen, wenn man sich auf die Spuren von Charles Darwin begibt. Im Februar steht der 200. Geburtstag des Evolutionsbiologen an. Überall in seiner Heimat Großbritannien warten frisch herausgeputzte Attraktionen auf Besucher.

Auch wenn man es sich mit einem der neuen Darwin-Bücher oder dem Originaltext "Über die Entstehung der Arten" auf dem Sofa gemütlich machen könnte, um den Naturforscher zu würdigen: Eine Reise in seine Heimat hat einen besonderen Charme. Hier lässt sich spüren, was für ein Mensch Darwin war, wie er lebte und arbeitete und welchen Aufruhr er in seiner Zeit verursachte. Und billiger als eine Tour auf die Galapagos-Inseln im Pazifik, wo Darwin die endgültige Inspiration für seine Evolutionstheorie fand, ist die Reise über den Ärmelkanal auch.

Einen ersten Überblick über das Ausmaß seines Wirkens gibt eine Sonderausstellung im Natural History Museum in London. Für "Darwin - Big Idea" wurde Material aus Archiven in aller Welt zusammengetragen. Hier steht der Besucher, von künstlichem Wellenrauschen und Vogelgesang berieselt, vor Riesenschildkröten, Plattfröschen und ausgestopften Spottdrosseln. Letztere sammelte Darwin auf seiner Reise auf die Galapagos-Inseln und grübelte über dem kleinen Federtier zum ersten Mal über die Möglichkeit der Evolution nach. Daneben liegt ein Büchlein.

Auf der aufgeschlagenen Seite steht in Krakelschrift "Ich denke", darunter ein Evolutionsdiagramm - kaum zu glauben, dass dieses vermeintliche Gekritzel das Verständnis von buchstäblich Gott und der Welt revolutionieren sollte. Wie ein Evolutions-Themenpark gestaltet sich das Sammelsurium. Da werden Briefe zitiert, Maus- mit Pferde-Embryonen verglichen, Notizbücher und Originalausgaben präsentiert sowie die bis heute andauernde Debatte über die Evolutionstheorie dargestellt. Auch Darwins Arbeitszimmer ist zu bestaunen - es wurde originalgetreu nachgebaut.

Rund 25 Kilometer entfernt, in Downe südöstlich von London, findet sich der Besucher in Darwins "echtem" Arbeitszimmer wieder. In der kleinen Ortschaft in der Grafschaft Kent steht das Haus, in dem Darwin zusammen mit seiner Familie die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Derzeit wird es restauriert, um einen Tag nach Darwins Geburtstag, am 13. Februar, in neuem Glanz zu eröffnen. "Wir wollen den Besuchern vor allem zeigen, dass Darwin 'menschlich' war und kein irrer Denker", erklärt Museumsführer Richard Smith-Gore und streicht über einen Billardtisch, an dem Darwin Ablenkung von der Forschung fand. Kinder tollten einst in dem riesigen Haus umher - Darwin hatte mit seiner Frau Emma zehn Töchter und Söhne, auch wenn nur sieben Kinder überlebten. Gäste gingen stets ein und aus.

Ein Rundgang zeigt, dass hier keine arme Familie wohnte: Darwins Frau kam aus der reichen Familie Wedgwood. Der Forscher heiratete sie 1839, nachdem er zwischen dem einsamen Leben für die Wissenschaft und einem "nice soft wife on a sofa" (einer "netten, weichen Ehefrau auf dem Sofa") abgewogen hatte. "Sie war sein Halt. Auch wenn sie sich als Strenggläubige immer Sorgen über die Erkenntnisse ihre Mannes machte", erklärt Smith-Gore. Wie konzentrierte sich Darwin bei dem Kinderlärm und Trubel? "Um Ruhe zu haben, marschierte er zum Beispiel auf seinem 'Thinking Path' im Garten entlang." Diesen "Denk-Pfad" können auch die Besucher unter Bäumen entlangspazieren - "vielleicht hat der ein oder andere dabei eine grandiose Idee", fügt Smith-Gore hinzu.

Wer dagegen Inspiration aus der Unterwelt sucht, ist bestens bei einem kleinen Erdloch im Garten aufgehoben, vor dem Darwin Regenwürmer beobachtete. "Es ist wohl selten, dass man im Urlaub Würmer sucht", so Smith-Gore, "aber Darwin studierte sie ja auch sehr gerne." Er klaubte sie auf und stellte sie in Gefäßen im Haus auf. Dabei wollte er ihre Reaktion auf Musik studieren - darunter auf Töne eines Fagotts oder Waldhorns. Weniger an das Tröten eines Blasinstruments als an das Auf und Ab der Meere wird der Besucher in einer Schiffskabine denken, die das Museum zum Jubiläum im Downe-Haus nachbauen will. Im Schiffsbauch der "HMS Beagle" litt Darwin, als er den Atlantik in Richtung Südamerika überquerte. "Ihn quälte eine schlimme Seekrankheit, er fühlte sich auf dem Schiff unglaublich schlecht", sagt Smith-Gore. Von da an war es um die Gesundheit des Forschers nie gut bestellt. Schwächeanfälle, Unwohlsein und Müdigkeit quälten ihn, bis er in Downe 1882 starb.

Unglaublich schlecht kann es Darwin dagegen im "The Lion" nicht gegangen sein. Das Pub-Hotel steht immer noch im mittelenglischen Shrewsbury, wo Darwin am 12. Februar 1809 zur Welt kam. Im "The Lion" wartete Darwin auf die Postkutsche, die ihn 1831 auf die "Beagle" und damit auf seine wichtigste Reise bringen sollte. Heute erinnert so ziemlich alles in diesem Restaurant-Hotel an alte Zeiten. In tiefen Sesseln sitzen in Zeitungen versunkene Männer, die hin und wieder in ihrem Tee rühren oder einen Schluck Bier zu sich nehmen, im anliegenden Restaurant speisen verliebte Pärchen.

Das Städtchen lässt sich gut zu Fuß erschließen. Der Weg führt dabei auch zu Darwins Internat, auf das er nach dem Tod seiner Mutter mit neun Jahren geschickt wurde. Der kleine Charles machte sich in Shrewsbury auf, um im Park am Fluss Severn oder in der Umgebung allerlei Getier zu sammeln, zu angeln oder zu schießen. "Er liebte Käfer und war bekannt für seine Sammelsucht", sagt Jon King, der das Darwin-Festival leitet.

In Shrewsbury ist 2009 ein Festival mit Stadtrundgängen, Lesungen und Theateraufführungen geplant. Es scheint fast so, als hätte man erst jetzt entdeckt, welchen Sohn die Stadt hervorgebracht hat. "Man brauchte wohl den 200. Geburtstag, um sich des Erbes bewusst zu werden", sagt King. So lässt sich auch erklären, dass Darwins Geburtshaus Sitz einer Statistikbehörde und für Besucher geschlossen ist. Das soll sich zwar ändern, ein Museum soll entstehen, aber bisher fehlen die Gelder. Immerhin von außen kann man das Haus im georgianischen Stil auf dem Anwesen "The Mount" betrachten.

Auf dem Weg zurück nach London ist ein Halt in Oxford angebracht. Denn Darwins Leben ist ohne den gesellschaftlichen Hintergrund seiner Forschung nur halb so spannend. Nachdem er 1859 seine Theorie in "The Origin of Species" veröffentlicht hatte, kam es im Juni 1860 zur ersten Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Kirche. Im University Museum in Oxford lieferten sich Darwins Verteidiger Thomas Huxley und Bischof Samuel Wilberforce ein hitziges Gefecht. Fast 150 Jahre später kommen am 12. Februar 2009 im University Museum of Natural History der Darwinist und bekennende Atheist Richard Dawkins und der derzeitige Bischof von Oxford, Richard Harris, zu einer öffentlichen Debatte zusammen. Denn selbst wenn Wissenschaftler Darwins Theorie der natürlichen Selektion immer wieder neu belegen: Die Diskussion zwischen Darwin-Fans und Anhängern der christlichen Schöpfungsgeschichte hallt auch heute noch nicht nur in dem Museum in Oxford wider, sondern auf der ganzen Welt.