Arosa bedient ihre betuchte Klientel so gut wie jene, die nur “hip“ sein will. Schneegarantie gilt bis in den April.

Ein Meter Neuschnee liegt auf den Pisten von Hörnli und Weißhorn. Normal für das Bergdorf Arosa im Kanton Graubünden. Schneemangel ist hier oben (1800 Meter) ein Fremdwort. Erst am 18. April endet die alpine Saison. Ein Pfund, mit dem die Schweizer werbewirksam wuchern. Wer im Internet nach Arosa sucht, kann "www. schneesicher.ch" eingeben.

Reisende, die unten im grünen Tal, in Chur, in die Rhätische Bahn steigen, glauben nicht, dass sie oben eine wundervolle Winterlandschaft erwartet. Auf dem Bahnhofsplatz von Chur, der Hauptstadt Graubündens, steht der alpinblaue Arosa-Express. Wenn die Zubringer-Züge aus Zürich eingetroffen sind, geht es hinein ins Schanfigg-Tal. Eine zauberhafte Fahrt, die jeden der 13 Franken wert ist. Die Rhätische Bahn braucht eine knappe Stunde, um die 1150 Höhenmeter nach Arosa zu überwinden, vorbei an äsendem Wild und an kleinen Bahnhöfen, die aussehen wie aus einem Bausatz für die Spielzeugeisenbahn. Viadukte führen über rauschende Gebirgsbäche. Spektakulär: das Langwieser Viadukt; es überquert das Schanfigg-Tal in 62 Metern Höhe.

Vor dem Bahnhof von Arosa steht ein Cadillac - mit Schneeketten. Antonio, der Chauffeur, wartet auf Gäste des "Tschuggen Grand Hotels". Mittlerweile der 17. Winter, den der Portugiese aus Braga hier in Graubündens Bergen verbringt. "Arosa kann süchtig machen", so der Slogan des Ortes. Bei Antonio hat er gewirkt. Ist es im 21. Jahrhundert die Sucht, die Reisende anscheinend hierher zieht, so war es im 19. Jahrhundert die Schwindsucht. Arosas Höhenlage versprach betuchten Tuberkulose-Kranken in Sanatorien Linderung; der Kurort war geboren. 1888 öffnete als erstes Sanatorium das "Berghilf".

Bald quartierten sich dort nicht nur Patienten, sondern auch Prominente ein. Im Kursaal trat Charlie Chaplin auf, Konrad Adenauer logierte im "Berghilf". Auch Thomas Mann schätzte Arosa; hier bekam er die Inspiration für seinen "Zauberberg". Nach und nach veränderte sich Arosa zum Sportdomizil. Aus Sanatorien wurden Sporthotels, aus dem "Berghilf" das "Tschuggen Grand Hotel". In den 60er-Jahren brannte es bis auf die Grundmauern nieder. Der Wiederaufbau ist alles andere als gelungen, für viele Anwohner "jenseits jeder Bauästhetik". Ein hochstockiger Plattenbau, der mit äußerem Charme sehr geizt. Aber wer dort ein Zimmer bezieht, hat den schönsten Blick auf das Alpenpanorama. Der perfekte Service des Hauses ist allemal eines Grandhotels würdig. Aber Arosa ist nicht nur gediegen-luxuriös, sondern auch "hip", ein beliebtes Revier für Snowboarder. Eines ihrer Idole kommt von hier: Gian Simmen, 1998 in Nagano Olympiasieger in der Halfpipe. Seine Erfolge haben die jüngere Generation nach Arosa gelockt. Abends trifft man sich im "Kitchen Club" im Design-Hotel "Eden", tanzt zwischen Pfannen, Töpfen und einem altem Herd. Besitzer des "Eden" ist Hitch Leu, ein krawattenloser Direktor, der wie eine Mischung aus dem Hochspringer Carlo Thränhardt und dem Surfer Robbie Nash aussieht. Hitch Leu, der Querdenker, erzählt von seiner Idee: "1989 habe ich im ,Eden' die Halbpension abgeschafft, dann brauchten wir die Küche nicht mehr, und so entstand der Kitchen-Club." Auch wer der Hip-Hop- und Halfpipe-Generation entwachsen ist, findet in Arosa sein Terrain: 70 Kilometer Pisten aller Schwierigkeitsgrade. Parallel dazu verlaufen beste Wanderwege, die an Hütten enden. Das Angebot ist wohltuend eidgenössisch. Ischgl und Sölden sind nicht nur geographisch weit entfernt. In der Sternenbar an der Mittelstation der Weißhornbahn dröhnt kein DJ Ötzi über die Berge, auch nicht auf der Sattelhütte oben am Brüggerhorn, einem der schönsten Aussichtsplätze des gesamten Skigebiets.

Beliebtester Treffpunkt ist seit Jahren die Tschuggenhütte. Wenn die Schneekatzen die Pisten für den nächsten Skitag präparieren, wird hier noch weiter gefeiert, bei einem Schümli, Pflümli oder Ramazotti. Der Sänger gleichen Namens lässt sich auch hin und wieder blicken. Das Apres Ski-Erlebnis der besonderen Art an der Tschuggenhütte ist jedes Jahr im Dezember das Arosa-Humorfestival. Im großen Zweimastzelt treten dann viele namhafte Comedy-Stars auf.

Fernab vom Hüttenzauber betreibt ein Schweizer Urgestein sein Gewerbe: Reto Geeser hat ein Schuhgeschäft. Seine Schuhe sehen allerdings aus wie Tennisschläger ohne Griff. Wem die Abfahrten zu rasant sind, der steigt beim Langlaufzentrum Maran aus dem Skibus und geht zu Reto. "Du bist Anfänger. Dir empfehle ich den Biberschwanz, der ist einfacher zu laufen als die Bärentatze", erklärt er knapp das Sportgerät. Zur Erklärung: Der Schneeschuh "Biberschwanz" ist hinten spitz, die "Bärentatze" rund.