Die neue Influenza breitet sich weiter rasant aus. Nach Schätzungen von Experten könnten 25 bis 35 Prozent der Bevölkerung daran erkranken.

Die Mexiko-Grippe breitet sich weiter mit rasanter Geschwindigkeit rund um den Globus aus. Gestern wurden auch in Deutschland zwei neue Fälle gemeldet. Wie der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Jörg Hacker, in Berlin sagte, hat sich ein aus Frankfurt (Oder) in Brandenburg stammendes Ehepaar mit dem H1N1-Virus infiziert, das im selben Flugzeug wie die aus Hamburg stammende Grippe-Patientin war. Das Ehepaar liegt mit nur leichten Krankheitssymptomen isoliert in einem Frankfurter Klinikum. Weitere Passagiere des Fluges von Mexiko-Stadt nach Düsseldorf sind bereits informiert worden.

Die Zahl der erkrankten Patienten ist damit in Deutschland auf acht gestiegen, bei weiteren 20 besteht der Verdacht auf die Infektion. Seit gestern sind Ärzte in Deutschland verpflichtet, alle Verdachtsfälle und Erkrankungen der neuen Grippe dem Gesundheitsamt zu melden.

Die Zahl der bestätigten Fälle in Europa stieg auf 51. Weltweit sind fast 900 Menschen erkrankt und 20 Menschen an der Infektion gestorben, davon 19 in Mexiko.

Angesichts steigender Erkrankungszahlen sieht Hacker "keinen Grund zur Entwarnung, aber auch nicht zur Dramatisierung der Lage". Auch wenn der Krankheitsverlauf in Deutschland bisher insgesamt milde sei, könne sich das Virus schnell an den Menschen anpassen und verbreiten.

Ähnlich äußerte sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO): Trotz erster Anzeichen, dass das neue Influenza-Virus weniger gefährlich ist als der Erreger der verheerenden Spanischen Grippe von 1918, besteht nach ihrer Einschätzung kein Anlass für voreilige Entwarnung. "Diese Viren mutieren, sie ändern sich, sie können sich mit anderem genetischen Material neu gruppieren, mit anderen Viren", erklärte Mike Ryan, Direktor der Weltgesundheitsorganisation für das globale Warnsystem. Es wäre deshalb unklug, sich zu diesem Zeitpunkt von Hinweisen beruhigen zu lassen, das neue Virus sei schwächer als zunächst befürchtet. Das neue Virus scheine nicht die gefährliche Kraft früherer Erreger zu haben, bestätigte Steve Waterman vom US-Zentrum für Seuchenkontrolle (CDC), der ein internationales Expertenteam leitet, das Mexiko im Kampf gegen die Mexiko-Grippe zur Seite steht. Eine voreilige Entwarnung dürfe es jedoch nicht geben, zunächst müsse abgewartet werden, ob sich die Lage in Mexiko nun wirklich stabilisiere.

Zu den voraussichtlichen Folgen der Mexiko-Grippe hat das EU-Zentrum für Seuchenbekämpfung in Stockholm (ECDC) am Freitag eine erste Einschätzung abgegeben. Danach könnten zwischen 25 und 35 Prozent der Bevölkerung an der Mexiko-Grippe erkranken. Wie ECDC-Sprecher Angus Nicoll mitteilte, ergebe sich diese Schätzung aus dem Verlauf der drei weltweiten Grippeepidemien des 20. Jahrhunderts in den Jahren 1918, 1957 und 1968. Ein Drittel der Infizierten werde jedoch der Schätzung zufolge überhaupt keine Krankheitssymptome entwickeln. Von den Angesteckten könnten schätzungsweise vier Prozent so ernst erkranken, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssten. Zum Zeitpunkt der maximalen Ausbreitung der Epidemie könnten zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung gleichzeitig erkranken, weitaus die meisten davon "in milder Form".

Zu den zu erwartenden Todesfällen meinte Nicoll, dass 1957 und 1968 bei den weltweiten Grippe-Epidemien 0,2 Prozent der Erkrankten starben. Bei der schlimmsten Epidemie mit der Spanischen Grippe 1918 betrug die Sterberate zwei bis drei Prozent. Nicoll betonte mehrfach, dass diese Schätzungen global seien und sowohl regional wie auch zeitlich extrem starke Schwankungen auftreten könnten. So habe die nördliche Hemisphäre aus mehreren Gründen wesentlich bessere Voraussetzungen für geringere Erkrankungs- und Sterberaten als die südliche Hemisphäre. Man könne bei einem neuen Virus nicht sagen, wie viele Menschen dagegen von Vornherein immun sind. Erstmals ist auch ein Fall bekannt geworden, bei dem die Infektion wahrscheinlich vom Menschen auf Tiere übertragen wurde. In Kanada hat ein infizierter Mann höchstwahrscheinlich eine Schweineherde angesteckt, berichtete die kanadische Lebensmittelbehörde. Die Sicherheit der Lebensmittelversorgung sei dadurch aber nicht gefährdet. Der Farmer war kürzlich aus Mexiko zurückgekehrt und hatte Symptome der Grippe gezeigt. Auch an den Tieren hätten sich daraufhin Zeichen der Krankheit gezeigt. Sowohl der Farmer als auch die Tiere hätten sich bereits erholt oder erholten sich noch, ergänzte die Behörde. Die Herde steht unter Quarantäne. (HA)