Wer niest, ist verdächtig. Angst hat die sonst so fröhlichen Menschen erfasst. Viele trauen sich nicht vor die Tür. Was Fidel Samaniego in seiner Heimat beobachtet.

Es machte immer wieder "Hatschi". Abertausende Menschen hatte es erwischt. Sie niesten und niesten - es wollte einfach nicht aufhören. So viele Augen voller Angst, Misstrauen und Vorwürfe. Und dann lief da dieses Mädchen, das so gerötet war, und dennoch zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab, sodass sich seines von denen der anderen unterschied. Es war beinahe eine Art Grinsen. Ein Mann, der dem Mädchen entgegenkam, ging sofort auf Abstand, er wirkte von der Erscheinung beinahe irritiert.

Es war der Tag, als jeder, der nieste oder hustete oder irgendwie ein Kribbeln in seiner Nase verspürte, plötzlich als verdächtig galt. Verdächtig, das Virus in sich zu tragen; verdächtig, eine Gefahr zu sein; verdächtig, sich zu einer andauernden Bedrohung zu entwickeln.

Die Menschen auf den Straßen schritten eilig voran, verzogen keine Miene und hielten ihre Münder geschlossen. Sie waren getrieben von der Angst und von der Ungewissheit - ausgelöst durch die widersprüchlichen Gerüchte. Ja, es waren Momente, die sich vollkommen von dem sonst so bunten Treiben in der Stadt unterschieden. Nur sehr wenige Leute hielten sich in Restaurants, in Einkaufszentren, in Kulturstätten, in Parks oder auf Sportanlagen auf. Stattdessen verschanzten sie sich zu Hause, luden wie besessen unerlaubt Filme herunter, um sich wenigstens ein bisschen ablenken zu können; der Gang in die Videothek war aufgrund der Virusgefahr undenkbar.

Apotheken hingegen waren überlaufen. Jeder wollte sich schützen. Aber Impfstoffe waren in der ganzen Stadt vergriffen. Dafür kauften die Leute Taschentücher und Watte in Massen, um sich diese in Ohren und Nase zu stecken, in der Hoffnung, gesund zu bleiben und das Virus nicht einzuatmen.

In den Krankenhäusern ging der Betrieb weiter. Ärzte, Krankenschwestern, Reinigungs- und Verwaltungspersonal - sie hatten vorgesorgt und sich auf die mögliche Viruswelle vorbereitet. Mithilfe eines Mundschutzes, Ohren- und Nasenstöpseln retteten sie sich über den Tag. "Ja, es gibt bereits einige verdächtige Fälle ..., aber es kamen viele Leute vorbei, die sich nur ambulant versorgen lassen wollten, weil sie Angst vor möglichen Symptomen hatten. Tatsächlich hatten sie meistens jedoch eine ganz normale Grippe, Erkältung oder Bronchitis", erzählte eine Frau am Informationsschalter.

Schließlich hörten die Menschen sogar auf, sich per Handschlag oder gar per Küsschen zu verabschieden. Zu groß war das Infektionsrisiko. Es war ein so schwarzer Tag in Mexiko, wie ihn sich niemand bis dato hätte vorstellen können. Der freundliche Umgang miteinander kühlte plötzlich ab, vorbei waren das fröhliche Küssen, die Freude, das Lachen und die Entspanntheit der Wochenenden. Was blieb, waren die Vorsicht und die alarmierende Angst.

Immer wieder Fragen, auf die es keine schlüssige Antwort gab. Die Versionen über die Verbreitung des Virus waren so widersprüchlich, dass die Furcht vor den Gefahren stetig größer wurde. "Es ist schlimmer, als die Regierung zugeben will. Aber die versuchen ohnehin nur, die Dinge herunterzuspielen, um keine Massenpanik auszulösen", erklärte ein Obstverkäufer. Und eine Mutter, die gerade aus der Kirche kam, sagte: "Meine Nachbarin hat mir berichtet, dass ein guter Freund ihres Sohnes ihm erzählt hat, dass die Drogendealer für die fatale Mischung aus Mikrobionen, Bakterien und Viren verantwortlich seien und dass wir deshalb unsere Häuser nicht verlassen sollten."

Und tatsächlich verließen nur noch wenige Menschen ihre Bezirke. Sie hielten sich lieber hinter verschlossenen Türen auf. Allerdings zogen einige es auch vor, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen: Entweder nahmen sie den Bus, ihr Auto oder den Flieger - man könnte sagen, sie flüchteten.

Am Ende glich die Stadt einer Geisterstadt: Es gab kein kulturelles Programm mehr, die Museen und Stadien hatten geschlossen, Konzerte wurden abgesagt. Plötzlich war es ein Ort des Schweigens, es war, als hätte die Stadt nie gelebt.

Der Autor ist Journalist. Sein Artikel erschien in der Online-Ausgabe der Zeitung "El Universal". Übersetzung: Nina Schröder