Empörung über den forschen CDU-Bundestagsabgeordneten. Sozialverbände werfen Mißfelder „eine völlige soziale Inkompetenz“ vor. Kritik auch aus den eigenen Reihen, aber Lob von einem Kinderverband.

Dortmund. Und wieder eckt der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, mit einer unbedachten Äußerung an. Beim Frühschoppen des CDU-Ortsverbandes Haltern (Nordrhein-Westfalen) hatte der 29-Jährige am vergangenen Sonntag nach einem Bericht der "Ruhr Nachrichten" gesagt: "Die Erhöhung von Hartz IV war ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie."

Das sorgt für erhebliche Empörung und Unmut bei den Sozialverbänden gesorgt. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) bezog Mißfelders Äußerung auf die Erhöhung des Regelsatzes für Kinder zum 1. Juli. Die Aussage des CDU-Politikers bezeugten "eine völlige soziale Inkompetenz", sagte Bundesvorstand Rainer Brückers der Zeitung. Der Sozialverband Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, erklärte, die Politik sei "dringend gefordert, die Ursachen von Armut und Ausgrenzung zu bekämpfen, anstatt sozial benachteiligte Menschen zu diffamieren".

Der Vorsitzende der Jungen Union (JU) in Bayern, Stefan Müller, hat Mißfelder nach dessen Äußerungen über Hartz-IV-Empfänger scharf kritisiert und zu einer Entschuldigung aufgefordert. "Mißfelder muss seine Aussagen so bald wie möglich zurücknehmen und sich bei den Betroffenen entschuldigen. Was er bisher dazu gesagt hat, reicht nicht aus", sagte Müller dem "Münchner Merkur". Der JU-Bezirk Oberbayern und mehrere bayerische Kreisverbände forderten dem Bericht zufolge den Rücktritt Mißfelders.

Die Deutsche Kinderhilfe hat die Äußerungen des CDU-Präsidiumsmitglieds Mißfelder grundsätzlich begrüßt. "Es ist gut, dass eine solche Aussage gemacht wird, damit eine Debatte angeregt wird", sagte ihr Vorsitzender Georg Ehrmann der Nachrichtenagentur AP. Ehrmann sagte, über Mißfelders Wortwahl könne man unterschiedlicher Meinung sein. Tatsächlich gehe nach Beobachtungen der Kinderhilfe die "beinahe schon reflexartige" Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze jedoch "genau in die falsche Richtung". So sei insbesondere im Hartz-IV-Milieu ein besonders hoher Anstieg des Verkaufs elektronischer Medien zu beobachten, sagte Ehrmann. Auch sei in diesem Bereich der Alkohol- und Tabakmissbrauch besonders hoch.

Mißfelder war im Jahr 2003 ebenfalls mit einer verbalen Attacke aufgefallen. Damals hatte er kritisiert, dass zu viele alte Menschen sich künstliche Hüftgelenke von Krankenkassen bezahlen ließen. Diese Aussage relativierte er später.

Jetzt fühlt er sich missverstanden: Mißfelder sagte der "Leipziger Volkszeitung", er habe mit seiner Aussage "keine Hartz-IV-Empfänger diffamieren, sondern auf Missstände hinweisen wollen". "Viele Hartz-IV-Empfänger sind unverschuldet in Not gekommen", sagte Mißfelder. Es sei jedoch eine Diskussion darüber nötig, "wie mit sozialen Leistungen der Allgemeinheit von den Betroffenen umgegangen wird". Diese würden häufig "nicht zielgenau" ankommen.