K O M M E N T A R

Tobias (7) und Luisa (5) kratzen den Rest ihres Taschengeldes zusammen. Sie überweisen 2,70 Euro . Kfz-Meister Melzer (58) kommt mit einer Klarsichttüte in der Hand zur Abendblatt-Redaktion und übergibt 350,86 Euro in Münzen und kleinen Scheinen. Er hat sie beim Fest seiner Siedlergemeinschaft in Billstedt gesammelt. Herr Möhrle, der Miteigentümer einer Bauhaus-Kette, überweist von seinem Privatkonto 150 000 Euro, und Herr Otto, Chef der größten Gesellschaft für Einkaufszentren, bringt persönlich 660 000 Euro Soforthilfe nach Dresden. Wir haben uns in unserem Land so oft gefragt, ob es noch Gemeinsinn gibt, ob Mitgefühl geschwunden ist, ob Werte gelitten haben. Jetzt, nach und während der großen Elbe-Flut, dürfen wir mit einem glücklichen Gefühl feststellen: Es gibt noch Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft. In Hamburg ist sie spontan und wirklich überwältigend. Als wir in der Abendblatt-Redaktion gestern Nachmittag um 15.33 Uhr erfuhren, dass bei der gemeinsamen Spendenaktion der Hamburger Medien der Kontostand auf über drei Millionen Euro kletterte, waren wir sprachlos. Angeblich leben wir doch in einer "kalten Gesellschaft". Wer hätte gedacht, dass die Menschen mit so viel Herzenswärme reagieren. Dabei geht es gar nicht nur ums Geld. Immer wieder treffen Vorschläge ein, wie man sonst noch helfen kann. Da ist von "Patenschaften für besonders betroffene Familien" die Rede, Handwerksbetriebe wollen ihren betroffenen Kollegen Werkzeug und Maschinen zur Verfügung stellen, da werden Sammlungen für die Kinder angeregt, die durch die Fluten all ihr Spielzeug verloren haben. Es sind so viele wunderbare Anregungen, die wir nicht allein in die Tat umsetzen können. Es wäre schön, wenn das Hamburger Rathaus eine Koordinationsstelle einrichten könnte, die das Sinnvolle und Gute herausfiltert, die für den Kontakt zu den Empfängern sorgt und denen, die helfen wollen, hilft, zu helfen. Als die Mauer fiel, hat Hamburg einen Sonderzug von Dresden hierher fahren lassen. Damals entwickelten sich Hilfe und Kontakte auf unzähligen privaten und institutionellen Kanälen. Wenn wir hören, dass aus dem Keller der Semper-Oper drei Klaviere nicht geborgen werden konnten und im wahrsten Sinne des Wortes untergingen, so sollte doch beispielsweise Unterstützung von Theater zu Theater, von Oper zu Oper, von Orchester zu Orchester die schönste Form von Solidarität sein. Irgendwann werden wir uns alle einmal erinnern, dass wir auch diesmal zueinander gehalten haben. Deutschland wächst in diesen Tagen sichtbar zusammen.