Berlin/Hamburg. Verkehrsminister muss erklären, wann er was gewusst hat. Bahn-Chef Mehdorn hat schon im September im Interview die Prämien als "allgemein üblich" bezeichnet.

Langsam macht sich Gemurre breit. Die Opposition fordert wegen seines Umgangs mit den geplanten Bonuszahlungen für den Bahnvorstand nach einem Börsengang sowieso schon den Rücktritt von SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Doch auch unter den Sozialdemokraten mehren sich jetzt die Stimmen, die an der Qualifikation Tiefensees zweifeln. "Bürgermeister in Leipzig zu sein reicht eben nicht als Qualifikation", giftete ein hochrangiger SPD-Mann am Freitag. Tiefensee habe sein Ressort nicht im Griff.

Es geht darum, wann der Verkehrsminister was über die Gehälter und Bonuszahlungen der Bahn-Vorstände gewusst und wann er was dazu entschieden hat. Am Mittwoch zumindest entließ er seinen Staatssekretär Matthias von Randow, der im Personalausschuss des Bahn-Aufsichtsrates am 24. Juni seine Zustimmung zu den Bonuszahlungen gegeben hatte. Diese sollten ausgezahlt werden, sobald die Bahn erfolgreich an die Börse gebracht worden ist. Je mehr der Börsengang bringt, desto höher die Sonderzahlung. Bei Bahn-Chef Hartmut Mehdorn kann sie bis zu 1,4 Millionen Euro hoch gehen. Nach Angaben von Tiefensee hatte Randow eigenmächtig zugestimmt und ihn erst vor zwei Wochen informiert - angeblich. Denn am Freitag kam die Wende: Tiefensee räumte ein, seit Mitte September informiert gewesen zu sein. Spätestens Ende September muss er es gewusst haben, denn da hat Mehdorn im "Stern"-Interview darüber gesprochen und sie "allgemein üblich" genannt. Erklärung seines Sprechers Rainer Lingenthal: Der für den 27. Oktober geplante Börsengang sollte nicht belastet werden. Inzwischen aber ist er wegen der Finanzkrise abgesagt.

Alle diese Daten zu den Zahlungen sind im Börsenprospekt aufgelistet, der schon existiert, weil er vor dem Börsengang veröffentlicht werden muss, aber bisher noch geheim ist. "Wenn der Minister von dem Inhalt des Börsenprospekts, der wohl im Juli vorlag, nichts gewusst hat, so ist das eine grob fahrlässige Unkenntnis", urteilt der CDU-Verkehrspolitiker Dirk Fischer gegenüber dem Abendblatt. Welche personellen Konsequenzen daraus gezogen werden müssten, mag er nicht kommentieren: "Jeder Koalitionspartner muss seine Entscheidungen selbst fällen." Die Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel hat Tiefensee zumindest - noch. Die Opposition nimmt hingegen kein Blatt vor den Mund. "Verkehrsminister Tiefensee muss zurücktreten", so der Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn am Freitag in Berlin. Es gebe nur zwei Erklärungen für sein Verhalten, erläuterte Kuhn. "Entweder hat der Minister durch den Börsenprospekt früher von den vereinbarten Bonuszahlungen für den Bahn-Vorstand gewusst, als er bisher behauptet." Oder Tiefensee habe in der Führung des Ministeriums versagt, weil ihm wesentliche Aspekte des Börsenprospektes vorenthalten wurden. "Beides disqualifiziert ihn als Bundesverkehrsminister." Der FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich sprach sich für den Rücktritt aus: "Es wird hohe Zeit, dass er geht. Es wäre kein Verlust für die deutsche Verkehrswirtschaft."

Den in dieser Angelegenheit zuständigen Aufsichtsratschef Werner Müller - früher einmal Bundeswirtschaftsminister - können die Bonuszahlungen nicht erschüttern: "Hier zählt das Leistungsprinzip und sonst gar nichts. Für gute Arbeit beim Börsengang gibt es gutes Geld, für durchschnittliche Arbeit weniger und für schlechte Arbeit gar nichts." Nach den Worten von Lingenthal gilt das auch für die zusätzlich bekannt gewordenen geplanten Gehaltssteigerungen von 20 Prozent für die Bahnvorstände: "Sie können keine Aktiengesellschaft gründen und dem Vorstandsvorsitzenden ein Ministerialratsgehalt zahlen."