Die FDP-Bundestagsfraktion beantragt offiziell die Entlassung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Heute wird ein entsprechender...

Hamburg. Die FDP-Bundestagsfraktion beantragt offiziell die Entlassung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Heute wird ein entsprechender Antrag in den Bundestag eingebracht. In dem Entwurf, der dem Abendblatt vorliegt, heißt es: "Der Deutsche Bundestag missbilligt die Amtsführung des Bundesministers (...) Der Deutsche Bundestag fordert die Bundeskanzlerin auf, gemäß Artikel 64 Absatz 1 Grundgesetz dem Herrn Bundespräsidenten vorzuschlagen, Bundesminister Wolfgang Tiefensee zu entlassen."

Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dem Abendblatt: "Dieser Minister ist nicht mehr tragbar. Die Bundeskanzlerin muss Herrn Tiefensee entlassen. Herr Tiefensee mag ein erfolgreicher Oberbürgermeister gewesen sein (in Leipzig, die Redaktion), als Bundesminister ist er kläglich gescheitert. Die Amtsführung im Bundesverkehrsministerium gleicht einer Geisterfahrt. Herr Tiefensee hat sich selbst aufs Abstellgleis manövriert."

Horst Friedrich, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, ergänzte, die Tatsachen seien "klar": "Entweder Herr Tiefensee hat gelogen - oder er hat sein Haus nicht im Griff. Beides macht die Entlassung des Ministers notwendig." Der Minister hatte seinen Staatssekretär Matthias von Randow vergangene Woche entlassen, weil dieser ihn als Mitglied des Aufsichtsrats angeblich nicht von der Ende Juni beschlossenen umstrittenen Bonus-Regelung für Bahnmanager im Falle eines Börsengangs der Deutschen Bahn informiert hatte. Tiefensee will erst Mitte September von dem Vorgang erfahren haben. Doch nach Recherchen des Berliner "Tagesspiegels" haben mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats der Bahn mit dem Minister bereits im Juni über das Bonus-Programm für Bahnmanager gesprochen. Tiefensees Darstellung wird auch in SPD-Kreisen immer mehr bezweifelt.

Heute Nachmittag kommt der Verkehrsausschuss des Bundestags zu einer Sondersitzung zusammen, um Tiefensee zu seiner Rolle in der Angelegenheit zu befragen. Doch das Ergebnis wollen die Liberalen nicht abwarten: Auf der Sitzung könne es "nur noch um Aufklärung und Details gehen", sagte Friedrich. Der CDU-Verkehrsexperte und Hamburger Bundestagsabgeordnete Dirk Fischer ist anderer Ansicht. Die FDP beweise ein "verwunderliches Rechtsstaatsverständnis, wenn sie die Verurteilung vor die Verhandlung legen will", sagte er. Tiefensees Verhalten sei "fraglos erheblich erklärungsbedürftig", zunächst müsse aber die Sitzung des Verkehrsausschusses abgewartet werden.

Fischer schloss aus, dass die Unionsfraktion dem Entlassungsantrag zustimmt: "Die CDU/CSU hält sich an den Koalitionsvertrag, und der besagt: Jeder Koalitionspartner ist für die Auswahl seines Personals selbst verantwortlich. Sollte die SPD Tiefensee im Amt belassen wollen, wird die Union geschlossen gegen den Antrag der FDP stimmen." Tiefensee bekräftigte im Haushaltsausschuss seine Kritik an den Sonderzahlungen. Auf die Frage, seit wann er von ihnen wusste, ging er nicht direkt ein.