Die Sprecherin des Ministers wusste nicht, ob sie amüsiert oder gekränkt sein sollte. “Er sagt immer 'Mehdorn' zu mir“, meinte sie mit Blick auf...

Heringsdorf/Berlin. Die Sprecherin des Ministers wusste nicht, ob sie amüsiert oder gekränkt sein sollte. "Er sagt immer 'Mehdorn' zu mir", meinte sie mit Blick auf Erwin Sellering, der gerade neben Wolfgang Tiefensee Platz genommen hatte. Nun, vielleicht war es ein freudscher Versprecher, aber vielleicht hatte der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern auch einfach nicht richtig mitgekriegt, dass Tiefensees Sprecherin Mehwald und nicht Mehdorn heißt. Wolfgang Tiefensee überhörte das Reizwort Mehdorn jedenfalls geflissentlich.

Der Minister war gestern sichtlich entschlossen, mal einen netten Tag zu haben. Fern von Berlin, wo die Rücktrittsforderungen einfach nicht verstummen wollen, im beschaulichen Heringsdorf auf Usedom, wo er eine Rede auf dem "2. Regionalen Demografiekonvent" zu halten hatte. Schließlich fördert das von ihm geführte Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gerade einen Modellversuch am Stettiner Haff, wo man gegen eine hohe Arbeitslosenquote, eine sinkende Geburtenrate und die allgemeine Abwanderung ankämpft. Und abgesehen davon ist Wolfgang Tiefensee ja auch noch Beauftragter des Bundes für die neuen Länder. Und das macht ihm zurzeit vermutlich mehr Freude als der wackelige Ministerposten.

Wie sehr Tiefensee bereits mit dem Rücken zur Wand steht, hatte sich am Mittwoch gezeigt, als sich der Minister an eine Falschmeldung der Agenturen klammerte. Ihr Inhalt: Die Bundesregierung schließe den Börsengang der Bahn vor der Bundestagswahl 2009 aus. Obwohl das niemand so erklärt, geschweige denn beschlossen hatte, sprach Tiefensee vor Journalisten von der "Absage des Börsengangs für diese Legislaturperiode". Seine Erleichterung darüber, das Problem vom Tisch zu sehen, hielt allerdings nicht lange vor, denn die Richtigstellungen ließen nicht lange auf sich warten. Am frühen Abend sah sich sogar Kanzleramtsminister Thomas de Maizière genötigt, offiziell "für die gesamte Bundesregierung" zu erklären, dass es keinen derartigen Regierungsbeschluss gebe.

Kein Wunder, dass sich Wolfgang Tiefensee gestern über die Gelegenheit gefreut hat, an der Ostsee mal etwas Luft zu schnappen. Allerdings hatte seine Rede ihre sprachlichen Tücken. Wer aus Tiefensees Mund Sätze hörte wie "Schauen Sie bitte nicht auf die großen Zahlen!" oder "Wir haben eine Entwicklungsdynamik!", der musste unweigerlich an Tiefensees Lage in Berlin denken. Wo ja immer noch bohrend nachgefragt wird, seit wann der Bundesverkehrsminister denn nun tatsächlich von den geplanten Bonus-Zahlungen an Hartmut Mehdorn und sein Bahn-Management gewusst hat. Nicht erst seit Oktober. Aber wirklich erst seit September? Oder vielleicht doch schon seit Juni? Oder noch eher? Egal. Angesichts der allgemeinen Empörung über Boni und saftige Gehaltserhöhungen in Chefetagen klang des Ministers Feststellung, Haushalten sei "die Verbindung der vier Grundrechenarten mit den zehn Geboten" jedenfalls gewagt.

Wer gestern allerdings nicht wusste, wie sehr dem Minister in Berlin der Wind ins Gesicht bläst, der hätte es ihm nicht angemerkt. Gelassen nahm Tiefensee hin, dass während seiner Rede im Festsaal des Heringsdorfer Kurhauses plötzlich der Strom ausfiel und fortan nur noch zwei Notlämpchen leuchteten; freundlich lächelnd beantwortete er später auf der Pressekonferenz die Frage, ob er einen Rücktritt für ausgeschlossen halte, mit einem knappen Ja. Immerhin war er bereit einzuräumen, dass es im Leben eines Ministers angenehme "und weniger angenehme Tage" gebe. Und die weniger angenehmen haben andere ja auch schon ausgesessen.