Der SPD-Politiker ist seit Tagen nicht öffentlich aufgetreten. Jetzt gibt es neuen Ärger: Der Bundesrechnungshof wirft seinem Ministerium schlampige Arbeit bei einem Großprojekt vor.

Hamburg/Berlin. Der Streit um die Bonuszahlungen für den Bahnvorstand wächst sich zu einem Machtkampf zwischen Bahnchef Hartmut Mehdorn und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) aus - mit ungewissem Ausgang für den Minister.

Mehdorn ließ gestern verbreiten, er sei "enttäuscht und verwundert" über Tiefensees Äußerungen zu den Sonderzahlungen beim Börsengang. Der Minister habe "dieses Thema gegenüber dem DB-Vorstand zu keinem Zeitpunkt angesprochen". Am Wochenende hatte Tiefensee gefordert, Mehdorn und der Vorstand sollten auf die Bonuszahlungen verzichten.

Der Minister tat dies nicht persönlich, sondern ließ seinen Sprecher ein entsprechendes Zitat an die Medien übermitteln. Tiefensee ist seit Tagen abgetaucht. Gestern sagte er zwei Pressekonferenzen ab - eine, weil es angeblich zu geringes Interesse gab.

Nun droht Tiefensee neuer Ärger. Der Bundesrechnungshof wirft seinem Ministerium schlampige Arbeit und falsche Finanzprognosen beim Bahn-Großprojekt Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm vor. In einem internen Bericht für den Haushaltsausschuss des Bundestages, der dem Hamburger Abendblatt vorliegt, kritisieren die Rechnungsprüfer, "dass das Bundesministerium bislang keine Gesamtschau der zu erwartenden Kosten erstellt" habe. Nicht einmal die eigenen Maßstäbe von 60 bis 100 Prozent möglichen Kostensteigerungen habe Tiefensees Ministerium an das Milliardenprojekt von Bahnhof- und Streckenausbau angelegt. "Darüber hinaus setzt es die eigenen Erkenntnisse aus der Realisierung von Großprojekten nicht um." Von den erwarteten Kosten in Höhe von 5,3 Milliarden Euro seien nur gut vier Milliarden abgedeckt.

Auch wenn Vize-Regierungssprecher Thomas Steg versicherte, an eine Entlassung Tiefensees werde nicht gedacht, steht die politische Zukunft des Ministers in den Sternen. Die Fragen, denen er sich im Zusammenhang mit dem Bahn-Börsengang stellen muss, liegen auf der Hand: Hat er erst Mitte September von den Bonuszahlungen für den Bahn-Vorstand erfahren oder schon früher? Im Verkehrsausschuss des Bundestags soll Tiefensee morgen Rede und Antwort stehen. Der Ausschussvorsitzende Klaus Lippold (CDU) geht davon aus, dass Tiefensee vor den Abgeordneten erscheint. Im Ministerium sei einiges "ganz offensichtlich nicht richtig gelaufen", sagt Lippold.

Am Donnerstag wollte der Aufsichtsrat der Bahn tagen - außerplanmäßig. Diese Sitzung soll nach Abendblatt-Informationen verschoben werden. Etwa, weil Tiefensee zuvor reinen Tisch macht?

Tiefensee will die Sonder-Tantiemen für den Börsengang der Bahntochter DB Mobility Logistics noch verhindern. Sie könnten für Mehdorn beim Aktienverkauf zwischen 140 000 und 1,4 Millionen Euro betragen, für die übrigen Vorstände 100 000 bis 1,2 Millionen Euro. Der Personalausschuss des Aufsichtsrats hatte die Vergütungsregeln am 24. Juni beschlossen. Am 29. Oktober entließ Minister Tiefensee seinen Staatssekretär Matthias von Randow, der im Personalausschuss als Vertreter des Bundes den Prämien zugestimmt hatte. Die Begründung: Randow habe Tiefensee zu spät informiert.

Das Fachblatt "trans aktuell" berichtete, dass es zwischen Tiefensee und Aufsichtsratschef Werner Müller schon im August ein Gespräch über die Prämien gegeben habe.