Welthungerhilfe-Vorsitzende Ingeborg Schäuble im Abendblatt-Gespräch: “Für zwei Tankfüllungen kann man ein Jahr leben.“ Entwicklung aus Sachsen macht Hoffnung.

Hamburg. Die Hungerkrise in vielen Regionen der südlichen Erdhalbkugel hat scharfe Kritik an den reichen Ländern ausgelöst. Der Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, die Welthungerhilfe und die Organisation Foodwatch verurteilten gestern die Verwendung von Nahrungsmitteln für die Herstellung von Biosprit. Die Weltbank befürchtet, dass wegen der explodierenden Lebensmittelpreise mindestens 100 Millionen Menschen ins Elend abrutschen und 33 Länder von Unruhen bedroht sind.

Mitverursacher seien die Biokraftstoffprogramme in den USA und der EU, für die große Mengen Mais und anderes Getreide verwendet würden, kritisierte Ziegler. Im Bayerischen Rundfunk bezeichnete er dies als "Verbrechen gegen die Menschheit".

Die Vorsitzende der Deutschen Welthungerhilfe, Ingeborg Schäuble, rechnet in einem Abendblatt-Interview vor: "Von zwei Tankfüllungen aus Mais gewonnenen Biosprits kann sich ein Mensch in den Entwicklungsländern ein ganzes Jahr lang ernähren." Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sieht die Biosprit-Pläne der EU skeptisch. Die Umwandlung von Nahrungsmittelproduktion in Biosprit-Flächen führe zu Verknappung. Steinbrück forderte ein Umdenken. Die EU kündigte an, die Subventionen für die Herstellung von Biokraftstoffen in Höhe von 90 Millionen Euro streichen zu wollen.

Dem von Hungerunruhen besonders stark erschütterten Haiti sagte die Weltbank eine Soforthilfe von 6,3 Millionen Euro zu. Weltbank-Chef Robert Zoellick warb bei den reichen Staaten dafür, dem Hilfsfonds des Welternährungsprogramms (WFP) bis zum 1. Mai 500 Millionen Dollar zu überweisen. Die Bundesregierung stellte gestern dem WFP weitere zehn Millionen Euro zur Verfügung. Damit solle vor allem die ländliche Entwicklung in betroffenen Ländern gestärkt werden, hieß es. Das WFP sorgt in 78 Staaten für die Ernährung von 73 Millionen Menschen. Die Zusagen der Weltbank und des IWF für kurzfristige Nahrungsmittelhilfe sind nach Ansicht der Welthungerhilfe indes nur "ein Tropfen auf den heißen Stein".

Videoberichte zu Hungerkrisen infolge von Preissteigerungen