HAMBURG. Der bekannte Journalist Hans Leyendecker stellt in seinem Buch "Die große Gier" (Rowohlt) die These auf, dass Profit und Ethik einander ausschließen:

Es gab in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Abfolge von Skandalen, und bemerkenswert war schon, wer da alles in die Fänge der Ermittler geraten war: Spitzenpersonal von VW, Rewe Siemens, Infineon, Faurecia - die Manager waren zu gierig, zu zynisch, zu selbstgerecht gewesen, und die meisten von ihnen hatten sich unangreifbar gefühlt. Irgendwann jedenfalls war einigen von ihnen das Gefühl für Größenordnungen, für die Unterscheidung zwischen richtig und falsch abhanden gekommen. Ein einfacher Satz wie "Das tut man nicht" kam in ihrem Vokabular offenkundig nicht mehr vor.

Der Konstanzer Wirtschaftsethiker Josef Wieland hat in einem Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk vier Tätertypen beschrieben: "Der eine Typus ist der Zyniker. Der Zyniker weiß, dass das, was er tut, falsch ist. Aber er ist der Meinung, dass das in seinem Geschäft nun mal so sei. Er fühlt sich alleine gelassen, aber zieht das dann halt allein durch. Der zweite Typus sagt: Das steht mir zu! Er ist der Ansicht, ich arbeite hart, ich opfere viel - vor allem für seine Familie. Der dritte Typus glaubt, dass er über dem Recht steht. Das ist der Typ, der weit herumgekommen ist, die Macht hat und der weiß, dass Normen kulturrelevant sind. Er ist jemand, der glaubt, darüberstehen zu können. Der vierte Typus ist eigentlich der interessanteste von allen, das ist der Spieler. Er schließt Wetten auf die Zukunft ab; er weiß auch, dass er früher oder später erwischt wird, aber er braucht sozusagen das Risiko."

Die Moral in Deutschland war noch nie so öffentlich und zugleich seit den Schwarzmarktzeiten der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht mehr derart volatil. Demografie, Arbeit, Rente, Steuerlast: Außer ein paar Sozialromantikern ist Großen wie Kleinen klar, dass irgendjemand uns allen an die Brieftasche gehen will. Das sehen wir nicht ein. Das holen wir uns zurück. Wir sind doch nicht blöd. Moralische Schizophrenie ist so zu unserer Lebensform geworden.