Staatsanwältin soll schon 900 Durchsuchungsbefehle erwirkt haben. Post-Chef reicht Rücktritt ein.

Hamburg. Die Affäre um Postchef Zumwinkel weitet sich immer mehr aus: Offenbar droht Deutschland ein Finanzskandal von historischen Ausmaßen. Es geht um Steuerhinterziehung in Höhe von bis zu vier Milliarden Euro, gegen etwa 1000 Verdächtige wird ermittelt, in den nächsten Tagen könnte es zu Razzien bei Hunderten reicher und zum Teil prominenter Personen kommen.

Als Erster zog am Freitag Post-Chef Klaus Zumwinkel Konsequenzen aus dem Skandal. Nachdem die Staatsanwaltschaft Bochum gegen ihn wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ermittelt und einen Haftbefehl ausgestellt hatte, trat der 64-jährige Manager auf politischen Druck von seinem Amt zurück.

Die Ermittlungen ins Rollen gebracht hat die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen. Sie ist eine der renommiertesten Ermittlerinnen in Sachen Wirtschaftskriminalität. Seit zehn Jahren kämpft sie bei der Staatsanwaltschaft Bochum erfolgreich gegen Korruption und Steuerhinterziehung. So gehörte zu ihren "Kunden" der Treuhänder Herbert Batliner, der nicht nur von Zumwinkel, sondern auch von den beiden Steuerflüchtlingen Friedrich Karl Flick und Paul Schockemöhle Gelder in Liechtenstein angelegt hat. Inzwischen soll Lichtinghagen bereits 900 Durchsuchungsbefehle erwirkt haben.

Nach einer Äußerung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ist davon auszugehen, dass Zumwinkel den Tatbestand der Steuerhinterziehung inzwischen zugegeben hat. "Ein Mann dieser Güteklasse muss wissen, was eine eingestandene Steuerhinterziehung in der Wahrnehmung der Bürger bedeutet", sagte Steinbrück der "Zeit online". Nach Angaben der Bundesregierung besitzen die Fahnder "massenhaft" Unterlagen einer wichtigen Bank in Liechtenstein, über welche die Milliarden am deutschen Fiskus vorbeigeschleust worden seien. Ein Sprecher des Finanzministeriums wollte keine Namen nennen. Er sagte aber, es betreffe Menschen, die sich "in höheren Einkommensbereichen bewegen". Die Bundesregierung betonte ausdrücklich die Möglichkeit von Selbstanzeigen, mit denen Steuersünder Strafen entgehen können.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Zumwinkels Rücktritt "unvermeidbar, nach dem, was geschehen ist". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte dem Abendblatt: "Unternehmer haben eine Vorbildfunktion. Wenn in den Vorstandsetagen Maß und Mitte verloren gehen, schadet das der Sozialen Marktwirtschaft insgesamt."