Bochum/Düsseldorf. Der Herr Staatsanwalt wirkt leicht genervt. Er hat den Telefonhörer gerade erst aufgelegt, da klingelt es schon wieder und dann sagt er immer die gleichen Sätze. "Nein, die Zahl 1000 oder mehr stammt nicht von uns", lautet eine seiner Botschaften, hin und wieder belässt er es bei der Bemerkung: "Das haben wir nicht gesagt."

Am Tag nach der Razzia bei Klaus Zumwinkel schwirren Zahlen und Namen von weiteren Verdächtigen durch die Republik. Nicht wenige, die keine genaue Kenntnis der Akten haben, übertreffen sich mit immer neuen Details über die nächsten Aktionen der Bochumer Ermittler. Die wollen im Moment aber eher in Ruhe gelassen werden. "Wir würden jetzt gerne unsere Arbeit machen", lässt sich Bernd Bienioßek entlocken. Wer Glück hat, erfährt noch, dass Margrit Lichtinghagen jetzt einige Tage Zeit braucht, um zu entscheiden, wo sie als Nächstes zuschlägt.

Das Wort "zuschlagen" würde Bienioßek natürlich nie benutzen, er spricht eher von "weiteren Ermittlungsmaßnahmen". Auch damit haben er und Margrit Lichtinghagen genau das erreicht, was sie schaffen wollten. Mit dem Schlag gegen Postchef Klaus Zumwinkel haben sie vielen Reichen und Prominenten öffentlichkeitswirksam vor Augen geführt, womit man rechnen muss, wenn die Bochumer Ankläger anklopfen. Sie nehmen wenig Rücksicht auf die Befindlichkeit derjenigen, die in ihr Visier geraten sind. Und sie wissen um die Wirkung von Fernsehkameras. "Wer mag noch auf der Liste stehen?", lautet die Frage, die in etlichen Steuerberatungsbüros der Republik intensiv debattiert wird.

Genau an dieser Stelle mauern die Ankläger. Alles andere wäre freilich auch fahrlässig. Genau das kann man ihnen nicht vorwerfen. Sie haben erhebliche Erfahrung mit der vermögenden Klientel aus allen Teilen der Republik und sie kommen nicht zum ersten Mal hinter die Geheimnisse der Steuerparadiese wie Liechtenstein.

Natürlich geben sie keine Auskunft zu den Vorgängen um Klaus Zumwinkel. Dennoch werden inzwischen die Umrisse des Vorgangs klar. Demnach ist durch Vermittlung des Bundesnachrichtendienstes ein umfangreiches Aktenpaket bei den Steuerfahndern in Essen gelandet. Darin befinden sich Unterlagen über die LGT Bank in Liechtenstein, das Finanzinstitut des Fürstenhauses, das seinen begüterten Kunden verspricht, die anvertrauten Gelder "fürstlich zu investieren".

Offenbar hat auch der Postchef diesem Lockruf nicht widerstehen können, aber eben vergessen, dass er alle Erträge auch dem Fiskus in Deutschland melden muss. Der Umstand, dass die inzwischen gut zehn Millionen Euro in einer Stiftung angelegt sind, befreit ihn nach Überzeugung der Ermittler nicht von der Steuerpflicht.

Den Staatsanwälten sind Papiere in die Hände gefallen, die zeigen, dass er sich mit dem Gedanken getragen hat, das Geld in andere Steuerparadiese zu übertragen. Zumwinkel war alarmiert, weil ein Familienmitglied wegen einer vergleichbaren Konstruktion ins Visier der Fahnder geraten war.

Die Bochumer sind dabei exakt auf jene Muster gestoßen, die sie aus dem Fall des Liechtensteiner Treuhänders Herbert Batliner kennen. "Das waren alles Stiftungen auf dem Papier", erklärt einer der Fahnder, der damals mit der Aufarbeitung jener ersten CD befasst war, die der Anonymus den Bochumern zugeschickt hatte. "Im Ergebnis waren das eben keine Stiftungen, sondern verschleierte Konten", berichtet der Ermittler. Die Stiftungen hatten das Geld auch damals zum Beispiel bei der Bank des Fürstenhauses angelegt und die Einkünfte des Fürsten und seiner Begünstigten gemehrt.

Die Stiftungen sind ein weiterer Weg, Einkünfte im Fürstentum zu generieren. In vielen Fällen erscheinen die Stifter nicht persönlich, dafür sitzen Liechtensteiner in den Gremien der Stiftungen, sie alle kassieren. Der Stifter fährt so lange gut, wie er nicht auffällt. Denn in Liechtenstein sind Stiftungen praktisch steuerfrei. "Da verdienen die dem Fürsten nahestehenden Treuhänder", weiß der Ermittler. Ihm ist kein Fall untergekommen, in dem die Konstruktion der Stiftung gehalten hat: "Die Erträge sind hier zu versteuern und damit basta."