Platzeck: 99,4 Prozent auf dem Parteitag. Nur Kurt Schumacher erhielt 1947 und 1948 mehr Stimmen als der 51 Jahre alte Ministerpräsident aus Brandenburg.

Karlsruhe. Mit einem der besten Wahlergebnisse in der Parteigeschichte führt der neue SPD-Chef Matthias Platzeck die Sozialdemokraten in die Regierungszeit mit der Union. Der 51jährige erhielt gestern beim Parteitag in Karlsruhe 512 von 515 gültigen Stimmen - das sind 99,4 Prozent. Bei der Wahl Platzecks gab es nur zwei Neinstimmen und eine Enthaltung. Ein besseres Ergebnis bei Wahlen zum SPD-Vorsitzenden hatte nur Kurt Schumacher 1947 und 1948 bekommen.

Platzeck, erst seit zehn Jahren SPD-Mitglied, machte 1997 während des Oder-Hochwassers bundesweit auf sich aufmerksam. Wegen seines unermüdlichen Einsatzes wurde der damalige brandenburgische Umweltminister "Deichgraf" genannt.

Platzeck hat seine Partei aufgefordert, einen "dicken Strich" unter die Personal-Turbulenzen um den Rückzug von Parteichef Franz Müntefering zu ziehen. Müntefering hatte seinen Posten aufgegeben, als gegen seinen Willen die Parteilinke Andrea Nahles im Parteivorstand als Generalsekretärin nominiert worden war. Die SPD solle ein "Signal" geben, daß sich solche Fehler nicht wiederholten. Platzeck forderte seine Partei auf, wieder geschlossen nach vorn zu blicken. Er bekannte sich klar zur großen Koalition. Die Sorge mancher in der Partei, die SPD könne dabei "Identität und Profil verlieren", teile er nicht. Platzeck sieht die SPD "als Partei der linken Mitte". Die Bundestagswahl habe klar gezeigt, daß ein "Nein zum Sozialstaat" und die Umkehr zum Neoliberalismus nicht mehrheitsfähig seien.

Die Delegierten bestätigten alle Personalvorschläge Platzecks für die engere Parteiführung. Der mit 92,2 Prozent bestätigte rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck soll als erster Stellvertreter eine herausgehobene Rolle wahrnehmen. Die baden-württembergische Landesvorsitzende Ute Vogt erhielt mit 67,3 Prozent den einzigen Denkzettel bei den Stellvertreter-Wahlen. Auch sie zählte zu den Nahles-Unterstützern. Neu als Vize- Vorsitzende ziehen die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (79,9 Prozent), der designierte Finanzminister Peer Steinbrück (82,1 Prozent) sowie die saarländische SPD-Politikerin Elke Ferner (83,3 Prozent) in die engere SPD-Führung ein.

Der neue Generalsekretär Hubertus Heil erhielt mit 61,7 Prozent das schlechteste Ergebnis. Er hatte die Mehrheit für Nahles im Parteivorstand mitorganisiert. "Viele haben dabei Fehler gemacht. Ich auch. Viele hätten mithelfen müssen, diese Eskalation zu vermeiden. Ich bekenne: ich auch", sagte Heil in seiner Bewerbungsrede.

Nahles schaffte überraschend im ersten Wahlgang den Einzug in den Parteivorstand. Auch die Hamburger Niels Annen und Olaf Scholz sind im Vorstand vertreten. Gescheitert ist dagegen der designierte Umweltminister Sigmar Gabriel. Er zog seine Kandidatur zugunsten des niedersächsischen SPD-Chefs Garrelt Duin zurück.