Karlsruhe. Juso-Mitglied Matthias Ilgen, aktiv in der Billstedter SPD, hat den Parteitag bislang mit gemischten Gefühlen verfolgt. Den neuen Chef Matthias Platzeck findet er gut. Aber er hat ein "komisches Magengefühl" wegen der vielen Solidaritätsbekundungen für die alte Führung um Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die hätten doch die vorgezogenen Neuwahlen angestrebt, weil sie sich ihrer Mehrheit in den eigenen Reihen nicht mehr sicher gewesen waren, sagt er. Die Billstedter sind auf dem Parteitag mit ihrem Stadtteil-Projekt zur politischen Vernetzung präsent. Dafür haben sie 2003 einen Wilhelm-Dröscher-Sonderpreis als lebendiger Ortsverein bekommen. Dieses Jahr bewerben sie sich erneut um eine Auszeichnung.

Der so jugendlich wirkende Platzeck hat überhaupt einen nachhaltigen Eindruck auf alle Hamburger Genossen hinterlassen, die in Karlsruhe vor Ort sind. Christoph Krupp aus Bergedorf meinte etwa, Platzeck habe das formuliert, was die SPD in die große Koalition einbringen werde, nämlich die "Frage des sozialen Zusammenhalts".

Auch weitaus prominentere Genossen aus der Hansestadt sparten nicht mit Lob. Olaf Scholz sagte, alle, die hätten wissen wollen, wie der neue Parteichef so sei, wüßten jetzt, daß er ein "sehr guter Parteichef ist". Er glaube, "daß die SPD jetzt zusammenhält".

Für den Hamburger SPD-Chef Matthias Petersen ist eine "der wichtigsten Botschaften" des Karlsruher Parteitags, "daß der Weg von Gerhard Schröder und Franz Müntefering stringent weiterverfolgt wird". Allerdings werde sich mit dem neuen SPD-Chef und Müntefering-Nachfolger Matthias Platzeck ein neuer "Menschlichkeitseffekt" in der Partei ausbreiten. Von einem Neuanfang will der Landeschef aber nicht sprechen. "Platzeck setzt lediglich neue Akzente", so Petersen.

Inka Damerau, Kreisvorsitzende der SPD im Bezirk Hamburg-Nord, erwartet nun eine engagierte Programmdebatte in der Partei. "Dazu hat Platzeck ausdrücklich eingeladen", sagt sie. "Und wir sollen über die neue Programmatik streiten können." Das imponiert Damerau besonders an Platzeck: Die Kunst, glaubhaft zu transportieren, daß er gleichermaßen Streit aushalten kann, aber auch Zusammenhalt und Harmonie herzustellen vermag.

Jan Pörksen, Kreisvorsitzender der SPD Eimsbüttel, ist froh, daß auf dem Parteitag "keine Abrechnungen" stattgefunden haben. "Das hat aber trotz der Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen auch keiner gewollt. Es ist vielmehr eine wohltuende Beruhigung eingetreten."

Auch der Sprecher des "Seeheimer Kreises", Johannes Kahrs, registrierte in Karlsruhe eine "Aufbruchstimmung" und einen "Haufen ehrlicher Wahlergebnisse".

Für das Vorstandsmitglied Niels Annen, ehemaliger Juso-Chef von der Parteilinken, gab es bislang einen Parteitag, der "voller Überzeugung nach vorne gerichtet ist" und auf dem keine Vergangenheitsbewältigung betrieben werde. "Das ist wichtig für den Start der großen Koalition", sagte Annen.