Kommentar: SPD-Parteitag

Selten hat ein Parteitag sowenig über die innere Verfassung der SPD verraten und soviel über ihre Bedürfnisse wie der Konvent von Karlsruhe. Nach sieben Jahren Rot-Grün ist die Partei ausgelaugt. Sie ist müde und wundgerieben nach einem Jahr voller harter Wahlkämpfe.

Lange Zeit wähnte sich die SPD im freien Fall - und genoß dann zur eigenen Überraschung bei der Wahl am 18. September einen gefühlten Sieg. Hinterher brachte die Parteiführung in einer Mischung aus Fahrlässigkeit, Naivität und Vorsatz den Vorsitzenden Müntefering zum Rückzug und war dann über den "Betriebsunfall" höchst schockiert.

Aus all diesen Wirren erwuchs eine große Sehnsucht nach Ruhe und Harmonie. Also wurde in Karlsruhe der Koalitionsvertrag ohne Murren abgenickt. Schröder und Müntefering sahen sich gefeiert und umjubelt. Und Matthias Platzeck, der wurde gleichsam auf Händen in sein neues Amt getragen. Er hatte so überzeugend und einfühlsam den Kuschel-Sozi gegeben, daß der Parteitag gern überhörte, daß seine Rede viel wärmendes, emotionales Wortgeklingel enthielt, aber wenig konkrete Perspektive aufzeigte.

Sogar Platzecks Personalvorschläge für die engere Parteiführung wurden allesamt gebilligt. Im Normalfall wäre etwa ein Hubertus Heil bei der Wahl zum Generalsekretär wohl durchgefallen. Aber der Parteitag wollte Platzeck nicht gleich am Start desavouieren. Daß die SPD mit sich keineswegs im reinen ist, wie sich in den vergangenen Monaten immer wieder zeigte, blieb in Karlsruhe ausgeblendet. Was die dort demonstrierte Eintracht also wirklich wert ist und was Platzeck wirklich kann, wird sich im Koalitionsalltag erst noch zeigen müssen.