Das Hessen-Ergebnis stärkt den Einfluss der FDP in Berlin und die Position von Parteichef Guido Westerwelle.

Berlin/Hamburg. Berlin, kurz nach 18 Uhr, in der FDP-Zentrale knackt es plötzlich in den Lautsprechern, und Freddy Quinn legt los: "So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergeh'n. So ein Tag, auf den ich mich so freute ..." Die plötzliche Stille danach genauso ohrenbetäubend. Aber während man sich noch fragt, ob das ein Probelauf gewesen ist oder nur ein - abgewürgter! - musikalischer Fehlgriff der technischen Mannschaft, ertönen die ersten Jubelschreie, und unter rhythmischem Klatschen arbeitet sich Guido Westerwelle zum Podium vor. Der FDP-Vorsitzende. Der unbestritten der Wahlgewinner ist, obwohl er gar nicht zur Wahl gestanden hat. Der vier Tage vor der Hessen-Wahl verbreiten ließ, dass die FDP im Fall eines schwarz-gelben Wahlsiegs "bescheiden und überlegt" mit dem Machtzuwachs umgehen werde. Im Parlament und im Bundesrat. "Uns ist ausgesprochen wichtig, dass Sie das wissen", hatte es in einer Express-Mail aus der FDP-Bundestagsfraktion geheißen. Und weiter: "Natürlich" sei die FDP im Bundesrat "wieder" ein "wirklicher Faktor", aber die Entscheidungen würden selbstverständlich in den Landesregierungen fallen und nicht im Berliner Thomas-Dehler-Haus. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits heftig diskutiert, was wohl aus dem zweiten Konjunkturpaket werden würde, das den Bundesrat noch passieren muss. Den Bundesrat, in dem die Große Koalition seit gestern Abend keine Mehrheit mehr hat.

Die FDP hat gestern ihr Wahlergebnis vom 27. Januar 2008 - 9, 4 Prozent - enorm gesteigert. 42 Prozent der Wähler, sagen die Wahlanalytiker, hätten die Liberalen aus "Überzeugung" gewählt, 56 Prozent aus "Enttäuschung" über die anderen. Professor Karl Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, spricht von einer "taktischen Wanderung" vieler CDU-Wähler hin zu den Liberalen. Professor Eckhard Jesse, Politikwissenschaftler an der TU Chemnitz, ergänzt, zum "sensationell guten Ergebnis der FDP" hätten vor allem die CDU-Wähler beigetragen, "die die Person Roland Koch nicht mochten, aber das bürgerliche Lager stärken und klar eine schwarz-gelbe Mehrheit wollen". Und Professor Franz Walter, Parteienforscher an der Uni Göttingen, nennt die FDP "die Sammelbewegung des rechten Bürgertums und die Wagenburg derjenigen, die möglichst unbeschädigt die derzeitige Krise überstehen wollen". "Für ein bürgerliches Bündnis auf Bundesebene", so das Fazit von Walter, "sind die Mehrheiten wieder da."

Das bestätigt die Umfrage von Infratest dimap, die - im Auftrag der ARD - unmittelbar vor der Hessen-Wahl zu dem Schluss gekommen war, dass die FDP in den vergangenen zwölf Monaten "inhaltlich und personell" an Profil gewinnen konnte. Überzeugt, so die Demoskopen, habe die FDP in der Steuerpolitik, der Haushalts- und Finanzpolitik und in der Wirtschaftspolitik. Auch in der Bildungspolitik, Energie-, Arbeitsmarkt- und Familienpolitik habe sie punkten können. Jeder Zweite habe die Liberalen als Garanten für Stabilität gesehen.