Glos-Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg ist mehr als ein Verlegenheitskandidat. In den Zukunftsplanungen von Parteichef Seehofer spielt er die zentrale Rolle im Kampf gegen die schwere Wirtschaftskrise.

Berlin. Nur für Sekundebruchteile leistet sich der designierte neue Wirtschaftsminister an diesem Vormittag ein richtiges Lächeln. Ansonsten übt sich der gerade mal 37 Jahre alte CSU-Shootingstar Karl-Theodor zu Guttenberg bei der Präsentation seiner Personalie in dezentem Selbstbewusstsein, gepaart mit einer Prise Demut. Kein Wunder angesichts der Herkulesaufgabe, die vor ihm liegt. Aber formvollendet ist sein Auftritt sowieso immer.

Nur 99 Tage hat er das Amt des CSU-Generalsekretärs ausgefüllt, bevor er am frühen Montagmorgen am Ende einer intensiven Sondierungsphase von seinem Vertrauten und Förderer Horst Seehofer für noch höhere Weihen auserkoren wurde. Und nur wenige Tage mehr wird er zur Verfügung haben, um den Deutschen Orientierung zu geben in der schwersten Wirtschaftskrise, die dieses Land seit vielen Jahrzehnten zu bestehen hatte. Denn danach ist Wahlkampf. Kein Wunder, dass der promovierte Einser-Jurist immer wieder die "große Herausforderung" beschwört, vor der er steht. Und dass ihm bewusst sei, welche Kärrnerarbeit da vor ihm liege. Im Ton konsequent und klar, fast zu ruhig, präsentiert sich zu Guttenberg an der Seite des vor allem Erleichterung ausstrahlenden Parteichefs auf der eilig einberufenen Pressekonferenz in den Räumen der Münchner Hans-Seidel-Stiftung.

Vermitteln will er, dass es die klassischen marktwirtschaftlichen Grundsätze sind, die er als "Maßgabe" und "Richtschnur" seiner Politik auffasst. Sein glückloser Vorgänger Michael Glos, für den Seehofer und zu Guttenberg nun viele freundliche Worte finden, hatte diese Werte nie mit Verve vertreten. Sehr zum Ärger des Parteichefs, der hinter Glos' Rücken zuletzt so vernehmlich nach Nachfolgern suchte, dass der blamierte Amtsinhaber am Sonnabend entnervt und frustriert um Entlassung bat. "Ärgerlich" sei das gewesen, weil es "gewaltsame Auswirkungen" gehabt habe, sagt Seehofer dazu. Und ist ansonsten so ehrlich, zu Gutenberg nicht als "geborenen Nachfolgekandidaten" anzupreisen, sondern als Ergebnis einer "sorgfältigen Güterabwägung".

Dass dabei auch die in Bayern traditionell wichtigen landsmannschaftlichen Aspekte eine Rolle gespielt haben - der CSU-Vorsitzende betont es sogar: "Wir wollen, dass Franken stark vertreten ist." Mit zu Guttenberg spiele Franken im Bundeskabinett weiter eine wichtige Rolle. Keine Frage, wenn er aus Oberbayern stammen würde, dann hätte er es jetzt schwerer gehabt. Dem Vorhalt, das wirtschaftspolitische Profil zu Guttenbergs sei ausbaufähig, begegnet Seehofer mit dem Hinweis auf dessen Praxiserfahrung. Tatsächlich war er geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens Guttenberg GmbH, einem Fachgroßhandel für Trockenbau, Isoliertechnik und Dämmstoffe. Aber im Bundestag, da kümmerte er sich vor allem um die Außenpolitik.

Doch der Spross eines alten Adelsgeschlechts (verheiratet, zwei Kinder) aus dem gleichnamigen Ort Guttenberg hat eben auch das Zeug zum Wahlkämpfer. Er schaffte als Generalsekretär den Spagat, politische Angriffe mit inhaltlicher Substanz zu unterfüttern. Solche Qualitäten werden jetzt gebraucht in Berlin.

Zu Guttenberg hat Seehofer zudem mit seinem fließenden Englisch und seinem passablen Französisch beeindruckt: Mit dem britischen Außenminister David Miliband habe er am Sonnabend in München "auf Augenhöhe" komplizierte wirtschaftliche Fragen diskutiert, schwärmt der Vorsitzende der Partei, die nicht zwingend für besondere Weltläufigkeit bekannt ist. Auch die Kanzlerin wisse die natürliche Eleganz und Eloquenz des CSU-Aufsteigers zu schätzen, heißt es. Am Nachmittag lässt sie in einer kurzen Erklärung im Kanzleramt jedenfalls keinen Zweifel daran, dass sie ihn unterstützt. "Exzellent" und "zu unser aller Zufriedenheit" werde zu Guttenberg das Amt ausfüllen, sagt sie. Beschwörend und zugleich überzeugt klingt das.

Zu Guttenberg, dessen Großvater ebenfalls Karl Theodor zu Guttenberg hieß und auch schon CSU-Politiker war, wehrt sich indes heftig gegen eine Deutung, die an diesem Morgen Runde gemacht hat, wonach er den Wechsel nach Berlin an Bedingungen geknüpft habe. "Das stimmt nicht." Tatsächlich hatten die Agenturen berichtet, er wolle den Job im Wirtschaftsministerium nur antreten, wenn er nach der Bundestagswahl im September Peter Ramsauer als CSU-Landesgruppenchef ablösen dürfe. Völlig unwahrscheinlich klang das nicht. Doch auch Seehofer beteuert, er sei am Frühstückstisch von einer gewissen "Blutleere" befallen worden, als er davon hörte.

Klar ist jedoch trotzdem: Die Allzweckwaffe zu Guttenberg spielt in den Zukunftsplänen des Ministerpräsidenten eine weitaus wichtigere Rolle als Ramsauer und Co. Sollte das Wirtschaftsressort in einer schwarz-gelben Koalition tatsächlich an die FDP fallen - in der CSU zweifelt niemand daran, dass Seehofer wieder einen neuen Job für ihn finden würde. Zu Guttenberg verkündete indes, er werde"das eine oder andere anders machen" als sein Vorgänger. Genau dafür wurde er engagiert. Und das weiß er.