Der künftige Grünen-Chef Cem Özdemir fordert im Abendblatt eine Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Hamburg/Berlin. Als er gestern von dem Anschlag auf deutsche Soldaten erfuhr, unterbrach Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) seinen Urlaub. Und als sein Flugzeug am späten Nachmittag in Berlin landete, war die Debatte über den Sinn des Einsatzes am Hindukusch bereits neu entbrannt.

"Es muss klar sein, dass wir in Afghanistan nicht auf ewig bleiben können", sagte der designierte Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir dem Hamburger Abendblatt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle das Attentat zum Anlass nehmen für eine umfassende Erklärung im Bundestag, forderte er. "Die Kanzlerin muss der Bevölkerung endlich erläutern, warum unsere Soldaten überhaupt am Hindukusch sind und wie lange sie noch bleiben müssen." Das könnten weder Verteidigungsminister Jung noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) leisten. Dies sei Aufgabe der Bundeskanzlerin, die "beim Thema Afghanistan bisher aber merkwürdig leise" sei, so Özdemir.

Der Europaabgeordnete sieht die von der Nato geführte Stabilisierungsmission Isaf auf der Kippe: "Afghanistan steht am Scheideweg. Mit einem bloßen 'Weiter so' werden wir Afghanistan nicht zum Erfolgsmodell machen." Özdemir forderte einen Strategiewechsel. Die Vorgehensweise der Vereinigten Staaten, "den Fokus nur auf die Bekämpfung der Gegner zu legen", führe nicht weiter. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt alle Anstrengungen darauf verwenden, die afghanische Armee und Polizei in die Lage zu versetzen, "ihre Aufgaben selbstständig und kompetent zu erfüllen".

Derzeit sind 3300 Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan stationiert, die meisten von ihnen im Norden des Landes. Das Mandat soll nach einem Beschluss des Bundestages auf 4500 Soldaten aufgestockt werden. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden, wertete den Anschlag, bei dem auch fünf afghanische Kinder getötet wurden, als Beleg für die "Brutalität und Hinterhältigkeit" der Taliban. Weil diese nicht einmal auf einheimische Muslime Rücksicht nähmen, werde "die Anwesenheit der Bundeswehr in Afghanistan von den Afghanen selbst mit großer Mehrheit gewünscht", sagte von Klaeden dem Abendblatt. Ein sofortiger Rückzug der Bundeswehr würde Afghanistan "in die Terrorherrschaft der Taliban zurückwerfen".

Der außenpolitische Koordinator der Europäischen Union, Javier Solana, verurteilte den Terrorakt scharf. "Solche hinterhältigen Angriffe dienen nur dem Ziel, Stabilisierung und Wiederaufbau in Afghanistan zu untergraben", sagte Solana dem Abendblatt. Es sei "besonders traurig, dass die Terroristen diejenigen attackieren, die nach Afghanistan kommen, um eine bessere Zukunft zu schaffen".

Die FDP-Verteidigungsexpertin im Bundestag, Birgit Homburger, nannte den Anschlag hinterhältig und menschenverachtend.

Der Sprecher für internationale Beziehungen der Linksfraktion, Wolfgang Gehrcke, bekräftigte dagegen seine grundsätzliche Ablehnung der deutschen Afghanistan-Mission.