Liebe Redaktion,

in der Online-Fotostrecke des Artikels "Selbstmord-Attentäterinnen reißen Dutzende Menschen in den Tod" sind deutlich die Toten zu sehen. Ich finde nicht, dass man diese Bilder so (bei abendblatt.de) zeigen sollte.

Simon Schuckert

Lieber Simon Schuckert,

gestern Mittag erreichte mich Ihre E-Mail, und sie hat mich berührt. Das bei uns auf der Nachrichtenseite abendblatt.de gezeigte Bild zu dem Anschlag in der Moskauer Metro, das Sie zu Recht kritisieren, war unglücklicherweise in die Fotostrecke hineingerutscht. Wir haben selbstverständlich sofort reagiert. Wenige Minuten nach Ihrer Mail war das Foto von der Homepage verschwunden. Wir haben überdies noch zwei weitere Bilder herausgenommen, die blutverschmierte Verletzte zeigen. Sie sehen also, wir nehmen Ihren Zuruf sehr ernst.

Wir wissen beim Hamburger Abendblatt um die Verantwortung, in der täglichen Flut der Fotos sorgfältig auszuwählen. Und abzuwägen: einerseits zwischen unserer journalistischen Pflicht, über das Zeitgeschehen angemessen zu berichten, und andererseits der zu schützenden Privatsphäre der Bürger. Die entscheidende Frage dabei ist: Was ist ethisch vertretbar, welche Bilder darf man noch zeigen, ohne damit vielleicht Gefühle zu verletzen, die Privatsphäre der Menschen unangemessen anzutasten?

Ein Grundsatz ist für uns entscheidend, auch wenn die Auswahl der Bilder oft unter großem Zeitdruck geschieht und Fehler so immer mal wieder passieren können: Wir zeigen grundsätzlich keine Leichen. Grenzfälle, also Bilder mit brutalem und verstörendem Inhalt, sind immer individuell zu entscheiden, und manchmal ist dies ein Balanceakt. Denn wir können auch nicht unsere Augen vor dem Elend der Welt verschließen, weil wir unseren Lesern zeitgeschichtliche Ereignisse darstellen wollen und müssen, das ist ureigenster Journalistenjob.

Nach Ihrem wichtigen Zuruf zum Anschlag in Moskau ist die betreffende Fotostrecke auf abendblatt.de meiner Ansicht nach nicht mehr zu beanstanden. Zu sehen sind noch Fotos, auf denen Helfer im Einsatz sind, Passanten weinen, Menschenmassen in der Metro. Ein verschwommenes Bild aus einer Überwachungskamera zeigt sehr schemenhaft den Tatort aus der Ferne. Dieses Foto ist in dieser Form nicht zu beanstanden. Herzlichst

Ihr Ralf Nehmzow