Liebe Redaktion,

es vergeht nahezu kein Tag, an dem ich im Hamburger Abendblatt nicht lese - meistens sogar in einer Überschrift und mehrmals - dass eine Gruppe etwas fordert, seien es die Vereine, die Gewerkschaften, die Rentner oder eine Einzelperson. Das passt natürlich in die heutige Forderungs(un)kultur.

Ich fände es besser, sowohl aus sprachlichen wie aus pädagogischen Gründen, die Vielfalt der deutschen Sprache zu nutzen und wieder mehr zu differenzieren, z. B. mit wünschen, sich vorstellen, dass, bevorzugen, beanspruchen, sich bemühen um, bestehen auf, Anspruch erheben, trachten nach, das schöne alte erheischen usw. Was ständig öffentlich gemacht wird, prägt auch die Gesellschaft.

Freundliche Grüße

Uta Dobritz-Chan

Liebe Frau Dobritz-Chan,

es stimmt schon, was Sie schreiben: Es wird viel gefordert in den Medien, da macht das Abendblatt keine Ausnahme. Dabei ist eine Forderung an sich, wenn berechtigt, nicht zu beanstanden, egal, ob sie im juristischen oder unternehmerischen Sinn gebraucht wird, geht es doch um die Durchsetzung von Interessen. Damit ist sie auch Teil des öffentlichen Diskurses und unserer Streitkultur. Und von der leben beispielsweise auch die Zeitungen und ihre Leser, denn sie bieten ja gerade ein Forum, in dem sich die Öffentlichkeit über gegensätzliche Standpunkte von Lobbyisten, Regierungen, Verwaltungen und Privatpersonen informieren kann. Natürlich kommt es darauf an, was und wie gefordert wird. Sie selbst haben Synonyme aufgeführt, die zeigen, wie viele Nuancen es in diesem Zusammenhang gibt. Sie vermuten auch eine Über-Forderung der Gesellschaft. Vielleicht könnten Personen und Institutionen darüber nachdenken, ob sie ihre Anliegen manchmal nicht effektiver vertreten, wenn sie auf eine stillere Diplomatie setzen. Ich befürchte aber, dass diese Idee nicht immer zum deutlich offensiver gewordenen Zeitgeist passt. Dem werden wir mit anderen Verben allein keine neue Richtung geben können. Kontrahenten gehen in öffentlichen Auseinandersetzungen in ihrer Wortwahl manchmal bewusst rustikal vor. Wir werden uns aber weiterhin beim Transport von Nachrichten um verbale Vielfalt bemühen. Wie Sie es sich wünschen und wir es von uns - verlangen. In diesem Sinne wollen wir gern die Gesellschaft mitprägen.

Herzlichst,

Ihr Claus Strunz