Der 37-jährige Tatverdächtige hat gestanden, Mary-Jane getötet zu haben. Laut Polizei gab es auch sexuelle Übergriffe.

Zella-Mehlis/Erfurt. Der grausame Tod von Mary-Jane aus Zella-Mehlis ist aufgeklärt: Die siebenjährige ist von einem Bekannten ihrer Mutter sexuell missbraucht und anschließend getötet worden. „Ich kann Ihnen sagen, dass er in seiner Vernehmung ein Geständnis abgelegt hat“, sagte Kriminalhauptkommissar Andreas Beez am Sonnabend im thüringischen Suhl. „Die Sonderkommission „Mary“ hat das Verbrechen aufgeklärt.“

Der mutmaßliche Täter Tino L. sei 37 Jahre alt, unverheiratet und bisher nicht als Kinderschänder polizeilich bekannt. Gegen den Mann aus Zella-Mehlis sei Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs und Mordes ergangen, ergänzte die Leitende Oberstaatsanwältin Bettina Keil.

„Es besteht mittlerweile Klarheit über das Schicksal der kleinen Mary-Jane“, sagte der sichtlich ergriffene Kriminalhauptkommissar. Das Mädchen war am 24. Juni nach dem Schulhort nicht nach Hause gekommen. Tino L. habe das Kind, das er seit Monaten kannte, auf dem Weg zur elterlichen Wohnung abgepasst, sagte Beez. Gemeinsam sollen sie in die Wohnung des Mannes gegangen sein, keine 100 Meter weiter wartete die verzweifelte Mutter stundenlang auf ihr Kind.

„Die Missbrauchhandlungen haben in der Wohnung stattgefunden“, sagte der Kriminalhauptkommissar. Anschließend sei die zierliche Schülerin dem 37-Jährigen in den nahen Wald gefolgt. „Danach wurde Gewalt gegen den Hals des Kindes ausgeübt.“ Mary-Jane sei dadurch aber nicht gestorben. Sie sei vielmehr in einem Bachlauf ertrunken, wo sie am 25. Juni später von Wanderern gefunden worden war.

Eine Sonderkommission der Polizei hatte seither fieberhaft nach dem mutmaßlichen Mörder der Erstklässlerin gesucht. Etwa 1000 Hinweise aus dem gesamten Bundesgebiet waren bei den Beamten eingegangen, schnell geriet auch Tino L. ins Visier der Fahnder. Zeugen war aufgefallen, dass er von seinem Balkon aus Kinder beobachtet hatte.

Wie Beez sagte, wurde Tino L. daraufhin befragt, er gab freiwillig eine DNA-Probe ab. „Wir konnten durch intensive Ermittlungen bis Mitte dieser Woche feststellen, dass das Alibi, was diese Person angegeben hat, offensichtlich nicht stimmt“, berichtete Beetz weiter.

Zugleich habe die Rechtsmedizin festgestellt, dass die an dem toten Kind gefundenen DNA-Spuren mit denen des 37-Jährigen übereinstimmten. Seit Donnerstagabend sei der Mann deshalb von Polizisten observiert worden. Als das zuständige Amtsgericht Meiningen am Freitag Haftbefehl erlassen habe, sei der Mann nach seiner Arbeit in Suhl verhaftet worden, erklärte der Ermittler. Den roten Schulranzen von Mary-Jane, den die Polizei seit mehr als zwei Wochen gesucht hatte, habe man im Wohnhaus des 37-Jährigen entdeckt.

Die Bekanntschaft des mutmaßlichen Täters mit der Mutter habe seit „vielen Monaten“ bestanden, zuletzt habe sich der 37-Jährige Ende 2010 in der Wohnung der Familie aufgehalten. Der Mann sei vorbestraft- allerdings nicht wegen sexuellen Missbrauchs. Ihm wurden Drogen- und Straßenverkehrsdelikte zur Last gelegt. Er war zur Tatzeit auf Bewährung.

Die Arbeit der Polizei ist noch längst nicht abgeschlossen. Wie die Leitende Oberstaatsanwältin Keil sagte, haben die Ermittler zwar einen Anhaltspunkt, warum der Mann das Mädchen umgebracht hat. Aber noch stehe das Tatmotiv nicht zweifelsfrei fest.

Nach Worten von Beez wurden 700 klassische Spuren an Leiche und Tatort gefunden, die noch nicht alle ausgewertet sind. 650 freiwillige DNA-Abnahmen bei Einwohnern der Kleinstadt seien gemacht worden. Zum Erfolg geführt habe schließlich „Spur 130“. Tino L. sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft, allerdings besonders gesichert, „damit dort nichts passiert“, sagte Keil.

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Festnahme im Mordfall Mary-Jane

Der gewaltsame Tod der sieben Jahre alten Mary-Jane hatte das thüringische Städtchen Zella-Mehlis seit 14 Tagen aufgewühlt. Hunderte Eltern waren in Angst um ihre Kinder, Hunderte versammelten sich am vergangenen Donnerstag zur Trauerfeier für das ermordete Mädchen.

Am Freitag, einen Tag später, wurde ein Tatverdächtiger festgenommen. Der Sprecher des Thüringer Innenministeriums, Bernd Edelmann, bestätigte inzwischen, dass der mutmaßliche Mörder ein Mann zwischen 35 und 40 Jahren sei, der aus dem unmittelbaren Umkreis der Familie stamme. Eine DNS-Probe soll die Ermittler auf die Spur des Verdächtigen gebracht haben. Die Polizei hatte alle Anwohner im Wohngebiet von Mary-Janes Familie um freiwillige Speichelproben gebeten und rund 800 erhalten.

Vor der Wohnung des Tatverdächtigen in Zella-Mehlis standen am gestrigen Freitagnachmittag mehrere Polizeiautos. Er wird derzeit von der Polizei vernommen und soll voraussichtlich am heutigen Sonnabend dem Haftrichter vorgeführt werden. Polizei und Staatsanwaltschaft haben für heute um 14 Uhr darüber hinaus eine gemeinsame Pressekonferenz in Suhl angekündigt. Mit dem Satz "Sie können davon ausgehen, dass wir Sie nicht zu einer solchen Pressekonferenz einladen, nur um Sie über den bisherigen Verlauf der Ermittlungen zu informieren", hatte ein Polizeisprecher noch am Freitagnachmittag die Neugier der Medien entfacht.

Die siebenjährige Erstklässlerin war am Freitag vor zwei Wochen nach der Schule nicht nach Hause gekommen. Eine Suchaktion der Polizei blieb zunächst erfolglos. Einen Tag später fanden Wanderer die Leiche des Mädchens in einem Bachlauf im Wald etwa 1,5 Kilometer von ihrem Wohnhaus entfernt. Sie war bekleidet, es fehlte allerdings der rote Schulranzen des Mädchens.

Nach Informationen des Mitteldeutschen Rundfunks seien die genauen Todesumstände jedoch weiterhin ungeklärt. Möglicherweise sei das Mädchen erstickt worden. Aufschluss soll ein Fasergutachten bringen, berichtete der Sender.

In den vergangenen zwei Wochen hatte eine Sonderkommission mit rund 50 Polizisten an der Aufklärung des Falles gearbeitet. Die Polizei war mehr als 700 Hinweisen nachgegangen, hatte Hunderte Zeugen im Umfeld der Familie befragt und den Fall ausführlich in einer Fernsehsendung vorgestellt. Bereitschaftspolizisten hatten auch immer wieder das dichte Waldgebiet durchgekämmt, ohne jedoch brauchbare Spuren zu finden.

Am Donnerstag hatten dann rund 400 Menschen in einer bewegenden Trauerfeier von Mary-Jane Abschied genommen. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte weiße Lilien an ihrem Grab niedergelegt. "Es ist so bitter, dass es nicht gelingen konnte, das Leben des kleinen Mädchens zu schützen", sagte sie.