Buxtehude soll vor Hochwasser geschützt werden. Doch über das Wie wird in der Estestadt derzeit heftig gestritten

Buxtehude. Beim Hochwasserschutz gehen die Meinungen in Buxtehude auseinander. Während die einen Spundwände und Minideiche in der Innenstadt favorisieren, setzen sich die anderen für eine Renaturierung des oberen Laufs der Este zwischen Moisburg und Altkloster ein.

Ende September sind die Hochwasserschutz-Pläne vom zuständigen Deichverband der zweiten Meile des Alten Landes erstmals der Öffentlichkeit präsentiert worden. Viele Bürger waren an diesem Abend in der Grundschule Altkloster erschienen, um sich ein Bild davon zu machen, was da überhaupt auf sie zukommt. Denn obwohl die gesamte Innenstadt zwischen Granini- und Marschtor-Wehr von den Plänen betroffen sein wird, wusste bisher kaum jemand Näheres zu dem ganzen Thema.

Um die unterschiedlichen Positionen noch einmal darzustellen, hat das Abendblatt die Sprecher der zwei federführenden Bürgerinitiativen um ein Pro und Contra gebeten. Gerd Bosse begründet, warum nach Ansicht der Initiative "Hochwasserschutz für Buxtehude" Spundwände und Deiche so wichtig sind, während die drei Vertreter der Bürgerinitiative "Este" die Vorteile der Renaturierung darlegen.

Pro: Sicherheit muss Vorrang haben

Seit mehr als zehn Jahren ist die Hochwassergefahr für die Innenstadt von Buxtehude und für angrenzende Wohngebiete wie die Brunckhorst'schen Wiesen bekannt. Dennoch gibt es bis heute keinen Schutz gegen Überschwemmungen bei Starkregen. Zuständig für vorbeugenden Hochwasserschutz sind Bürger und Kommunen. Die Stadt Buxtehude aber hat dafür kein Geld - weder verfügbar noch eingeplant. Einstimmig haben alle Mitglieder des Stadtrates im vergangenen November eine "Resolution" gegen die Verzögerung geeigneter Hochwasserschutzmaßnahmen in unserer Stadt verabschiedet. Diese ist der niedersächsischen Landesregierung in der Hoffnung auf Bezahlung der Hochwasserschutzbauten zugeleitet worden.

Das Land Niedersachsen hat inzwischen 230 000 Euro für die Planung ausgegeben, welche eine Erhöhung des Este-Ufers durch Mini-Deiche und Schutzmauern vorsieht. Bund und Land wären vielleicht in ein paar Jahren bereit, die benötigten sechs Millionen Euro für den Bau des innerstädtischen Hochwasserschutzes bereitzustellen.

Diesen aber wollen viele Buxtehuder nicht, wohl auch weil sie von einer Überschwemmung nicht so direkt betroffen wären wie die Bewohner der Innenstadt und der Brunckhorst'schen Wiesen. Sie haben in den letzten Wochen immer neue Vorschläge unterbreitet, die Kosten verursachen, weitere Zeit verstreichen lassen würden - und für die es keine Finanzierungsgrundlage gibt.

So sollen weitere Sachverständige beauftragt, neue Gutachten in Auftrag gegeben und ganzheitliche Untersuchungen der Este unternommen sowie zu "Runden Tischen" und Bürgerbefragungen eingeladen werden. Diese Bedenkenträgerei könnte bei der Landesregierung Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Buxtehuder Wünsche wecken - und es würde kontraproduktiv wirken, wenn die Landesmittel schließlich woanders hin fließen würden.

Wir Buxtehuder leben gern in dieser Stadt, erfreuen uns alle an grünen Bäumen und wollen alle keinen Jahrhundertregen wie in Görlitz, Osnabrück und Stadthagen. Aber dort war er in diesem Jahr schon - und früher in Hitzacker und Horneburg. Er kann Leib und Leben der Menschen in den Überschwemmungsgebieten gefährden und beträchtliche Schäden an materiellen und immateriellen Werten anrichten. Der rasche Klimawandel zwingt zum schnellen Handeln.

Die meisten in der Bürgerinitiative "Hochwasserschutz für Buxtehude" engagierten Menschen wohnen im Überschwemmungsgebiet. Als deren Sprecher appelliere ich an die Solidarität der anderen und an die Verantwortung der gewählten Politiker für diese Stadt und bitte sie, sich bei ihren Entscheidungen von Vernunft leiten zu lassen und der Sicherheit unserer Stadt Vorrang gegenüber der Optik einzuräumen, bereits jetzt und nicht erst nach deren Überschwemmung.

Gerd Bosse

Contra: Einschottung löst das Problem nicht

Die Bürgerinitiative (BI) "Este" für ökologischen Hochwasserschutz strebt wie die Bürgerinitiative "Hochwasserschutz für Buxtehude" einen effektiven Hochwasserschutz an. Von dieser Zielsetzung her besteht Einigkeit. Unterschiedliche Auffassungen bestehen über den Weg dorthin.

Die BI "Este" ist der Überzeugung, dass die Einschottung der Este durch Mini-Deiche und Spundwände das Problem nicht löst, weil es nicht die Ursachen der Gefahr beseitigt, sondern mit ungeeigneten Sekundärmaßnahmen lediglich versucht, den Gefahren zu begegnen. Diese Sekundärmaßnahmen sind aufgrund der Beseitigung des Baumbestandes am Ufer der Este mit gravierenden Nachteilen für Fauna und Flora und für das traditionelle Stadtbild von Buxtehude und mit weiteren technischen und wasserwirtschaftliche Nachteilen inklusive hoher Kostenfolgen verbunden.

Demgegenüber packt die Renaturierung das Problem an der Wurzel an. Sie korrigiert die aus heutiger Sicht fehlerhafte Begradigung der Este um 1930, stellt den mäanderförmigen Verlauf der Este wieder her, verlängert dadurch das Flussbett um etliche Kilometer, bewirkt, dass sich die Fließgeschwindigkeit des Wassers verlangsamt, der Sandtransport nach Buxtehude abnimmt und das Flussbett seine natürliche Tiefe als Voraussetzung für das kontinuierliche Fließen des Wasser beibehält.

Die Minideich- und Spundwandlösung hingegen bekommt das Problem der Sandfracht und der Verflachung des Flussbettes nicht in den Griff. Sie schafft weitere technische und wasserwirtschaftliche Probleme und ist daher mit erheblichen Folgekosten verbunden. Zudem stimmt die Renaturierung mit den modernen gesetzlichen Vorgaben des Wasserhaushaltsrechts überein, wodurch umfangreiche Förderungsmittel aus öffentlichen Haushalten zur Verfügung stehen.

Das Zeitargument, das die Befürworter der Minideich- und Spundwandlösung ins Feld führen, sticht nicht. Die Renaturierungsmaßnahmen können ebenso schnell, wenn nicht sogar schneller in Angriff genommen werden als die vom Deichverband vorgesehene Lösung. Demgegenüber besteht bei letzterer die Gefahr der Verzögerung aus verfahrensrechtlichen Gründen.

Der Deichverband hat nach Auffassung der BI "Este" ganz einseitig eine bestimmte Lösung entwickelt und stellt sie als alternativlos hin. Die politischen Kräfte der Stadt sollten sich hiervon nicht überfahren lassen. Sie sollten fragen und prüfen, und erst dann, wenn wirklich alle Argumente auf dem Tisch liegen, entscheiden. Denn schließlich geht es neben dem Hochwasserschutz auch um das Stadtbild und das Grün in Buxtehude, und das darf doch wirklich - das sind wir unserer schönen Stadt schuldig - nur dann angetastet werden, wenn es gar nicht anders geht.

Siegfried Marnitz, Hanno Krusche, Thomas Gönnert und Gerd Bosse