Moderne Technik soll dafür sorgen, dass Horneburg, Steinkirchen und andere Orte besser vor Hochwasser geschützt sind

Grünendeich. Bilderbuchlandschaft zwischen Elbe und Geest, durchzogen von Flüssen und Flüsschen, Fleeten und Gräben. Wasser in seiner Vielfalt prägt den Landkreis Stade von Balje bis Moorende, von Grünendeich bis Harsefeld, von Stadersand bis Essel. Zum Leben mit den Gezeiten der Unterelbe und ihrer Nebenflüsse gehört jedoch immer wieder der gefürchtete "Blanke Hans", wie die Sturmfluten genannt werden, und ein moderner, durchdachter Hochwasserschutz. Am 43 Jahre alten Lühesperrwerk in Grünendeich wurde nun für rund 900 000Euro ein neues Gebäude errichtet, von dem aus mit modernster Technik die Fluttore und die Klappbrücke bedient werden können.

"Das alte Gebäude wurde von 1964 bis 1968, nach der schweren Februarflut von 1962, erbaut", sagt Heinrich Pudimat, als Leiter der Betriebsstelle Stade des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zuständig für das Lühesperrwerk.

"Mechanik und Elektronik entsprachen nicht mehr moderner Betriebs- und Arbeitssicherheit, die bei einem Sturmflutsperrwerk absolut zuverlässig sein muss", sagt Pudimat.

"Das neue Gebäude wurde bis ins Detail nach modernsten Umweltgesichtspunkten errichtet", sagt der Projektleiter des Neubaus, Wilhelm Rohlfs. So sorge die Photovoltaikanlage auf dem Dach bereits jetzt, vor der kompletten Inbetriebnahme, für die Stromversorgung, so Rohlfs. Zudem sei die Gebäudeanlage auf Pfähle gegründet, die 18 Meter tief im Grundwasser stehen. Sie wurde an ein Erdwärmetechniksystem gekoppelt, womit das Gebäude beheizt oder im Sommer gekühlt werden könne. "Die Steuerungselektrik für die Fluttore und die Steueraggregate auch für den Betrieb der Klappbrücke wurden komplett saniert", sagt Birgit Baumann, bei der Landesbehörde als Bereichsleiterin verantwortlich für den Betrieb und die Unterhaltung der Sperrwerke. Die rund fünf Meter breiten und 7,60 Meter hohen Fluttore werden elektromechanisch angetrieben. "Zur Sicherheit können sie auch von Hand bewegt werden", so Baumann.

Im Normalfall wird der Sperrwerkswart Günter Schween-Stubbe im neuen Gebäude von seinem Bildschirmarbeitsplatz aus alle technischen Abläufe, das Öffnen und Schließen der Tore und der Klappbrücke, über die der Autoverkehr fließt, per Mausklick am Computer steuern. Mit zwei Vertretern sorgt Schween-Stubbe an sieben Tagen in der Woche das ganze Jahr über für die tägliche Kontrolle der Technik, Unterhaltungsarbeiten wie das Abschmieren aller bewegten Teile, das Licht an den Schifffahrtsignalanlagen. Auch die Organisation der 24-Stunden-Rufbereitschaft, falls es Störungsmeldungen, etwa bei Stromausfall oder ein Steigen des Wasserstandes gibt, gehören zum regulären Betrieb.

Bei Alarm werde auf Sturmflutbetrieb umgestellt und zunächst das erste Stemmtorpaar geschlossen, so Schween-Stubbe. Das geschehe bei einer Sturmflut, wenn der Wasserstand auf 2,20 Meter über Normalnull steigt. Der Pegel des mittleren Hochwassers liegt am Lühesperrwerk bei 1,83 Meter über Normalnull. Steigt das Wasser um 37 Zentimeter darüber, wird das erste Fluttorpaar geschlossen. "Bei sehr hohen Sturmfluten schließen wir auch beide Stemmtorpaare", sagt der Sperrwerkswart.

Vom 15. April bis 30. September gehört auch der Brückendienst dazu. Denn direkt über dem Sperrwerk befindet sich eine Klappbrücke, die 1982 vom Landkreis Stade erbaut wurde. Das Öffnen der Klappbrücke für die rund 1000 passierenden Boote und Schiffe pro Saison wird vom Sperrwerkswart gesteuert.

"Wenn alle noch ausstehenden Arbeiten am Neubau abgeschlossen sind, wird im September der gesamte Betrieb über die neue Anlage übernommen und das alte Sperrwerksgebäude wird abgerissen", sagt Pudimat. Das Lühesperrwerk hat eine Tiefe von 23,45 Meter. Es kann von Schiffen, die maximal zehn Meter breit sind, passiert werden. Die Schifffahrtsöffnung lässt sich durch zwei Stemmtorpaare verschließen.

"Wir sind froh, dass wir das Sperrwerk hier haben und es modernisiert wurde. Es gibt ein großes Gefühl von Sicherheit", sagt Hans Jarck, Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe.

Auch sein Amtskollege Gerhard Froelian von der Samtgemeinde Horneburg nennt die Modernisierung einen wichtigen Schritt zum zuverlässigen Hochwasserschutz. "Wir begrüßen jede technische Verbesserung, die im Extremfall bei besonderen Hochwassersituationen das Wasser genau dosiert abfließen lässt", sagt Froelian. Denn die Anrainer der Lühe haben Hochwasserprobleme nicht allein bei Sturmfluten, die von der Elbe hereindrücken. Gibt es zugleich Starkregen, verursachen die zufließenden Wassermassen von der Geest ein Ansteigen der Pegel.