In Horneburg und Buxtehude wird über den Hochwasserschutz gestritten. Bürger kritisieren, dass geplante Maßnahmen das Stadtbild zerstören

Horneburg/Buxtehude. Es ist ein sonniger Tag. Die Lühe schwappt friedlich gegen ihre alte Ufermauer am Rande der Horneburger Ortskerns und Peter Dankers wirkt zufrieden bei dem, was er gerade tut. Auf eben jene historische Mauer, die unterhalb des Marschdamms verläuft, hat er gerade einen neuen Stein gesetzt. Dankers ist Mitglied im "Förderverein Aue-Lühe", der ein Grundstück an der Wasserlinie besitzt. Im seinem Bereich saniert der Verein zurzeit die marode Ufermauer, Dankers arbeitet dazu von einem schwimmenden Holzponton aus.

Mit der Reparatur dieses Bauwerks, das unter Denkmalschutz steht, verbindet der Verein eine Menge. Kanus sollen dort anlegen können, wenn erst der historische Pavillon auf dem Vereinsgrundstück saniert ist. Dort könnte dann, so der Vereinsvorsitzende Wulf Hoffmann, eine Art Biergarten entstehen. An dem stadtgeschichtlich bedeutsamen Punkt sollen Ausflügler dann auf die Lühe blicken.

Dass dieses idyllische Bild Realität wird, ist allerdings mehr als fraglich. Denn wenn es nach dem Willen des Deichverbandes der Ersten Meile des Alten Landes geht, wird der Elb-Nebenarm schon bald etwa 20 Meter weiter östlich fließen. Jener Bereich des Flusses, der auf etwa 300 Metern am Marschdamm entlang fließt, wird dann zugeschüttet und mit Gras bedeckt sein. Grundstücke wie das des Aue-Lühe- Vereins werden nicht mehr am Wasser liegen, sondern hinter einem 3,50 Meter hohen Deich, der am neuen Flussbett der Lühe gebaut wird.

Deichverband will die Lühe bei Horneburg teilweise verlegen

Die drastisch wirkende Maßnahme ist Teil eines Maßnahmenpaketes, das nach dem Hochwasser des Jahres 2002 beschlossen wurde. Damals trat die Lühe, die weiter flussaufwärts Aue heißt, nach tagelangen Regenfällen über die Ufer. Keller und Wohnzimmer im Süden der Gemeinde standen während dieser Julitage unter Wasser. Um ein Wiederkehren des Szenarios zu verhindern, hat die Gemeinde dem Plan des Deichverbandes zugestimmt. Das Projekt ist beschlossen, die Gelder sind auf Landesebene bewilligt - doch das Vorhaben hat Gegner in Horneburg. Unter ihnen ist eine Bürgerinitiative, die gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage eingereicht hat. Mit Erfolg: Der Teil des Verfahrens, der sich auf das weiter östlich gelegene Überflutungsgebiet "Bullenbruch" bezieht, muss neu geregelt werden. Deshalb ruht auch für den Bereich des Marschdammes das Verfahren.

"Uns geht es um das historische Ortsbild Horneburgs. Das würde mit dem neuen Deich und dem neuen Flussverlauf zerstört werden", sagt Michael Järnicke, Sprecher der Initiative. Wulf Hoffmann schließt sich an: "Unser Ort ist am Wasser gewachsen. Man kann die Lühe nicht einfach aus dem Ort heraus verlegen." Seiner Ansicht nach wäre es auch gar nicht notwendig: Wie Michael Järnicke ist er der Meinung, dass eine komplette Sanierung der vorhandenen Uferwand ausreichen würde. Um auf eine Höhe von 3,50 Meter zu kommen, die der Deichverband fordert, könnten im Falle einer Flut "mobile Elemente" eingesetzt werden.

Ganz anders wird das allerdings beim Deichverband gesehen, der letztlich die Entscheidungsgewalt hat. "Wir würden nicht mit so einer maroden Mauer arbeiten. Wir brauchen einen stabilen, pflegeleichten Deich", stellt der oberste Deichrichter Arend Fischer klar. Auch von "mobilen Elementen" hält er wenig, da es für diese gar keinen Platz auf den Grundstücken gebe. Seiner Ansicht nach gibt es zum vorhandenen Plan keine Alternative.

Im Verfahren zu dessen Realisierung gibt es indes Bewegung: Die neuen Planunterlagen für den Bereich des Bullenbruchs würden "in Kürze" öffentlich ausgelegt, wie Klaus Gossen, der zuständige Mitarbeiter bei der Planfeststellungsbehörde in Lüneburg, sagt. Damit steigen auch die Chancen, dass es für den Bereich des Marschdamms bald weiter geht. Arend Fischer hofft, dass die Lühe schon "in den nächsten Monaten" verlegt werden kann. Wulf Hoffmann hingegen schätzt, dass sich das Verfahren wegen weiterer Rechtsstreitigkeiten "noch Jahre" hinziehen wird.

Bewahrer des Ortsbildes gegen Bürger, die schnell möglichst hohe Deiche bauen wollen - eine ähnliche Front hat sich in den vergangenen Monaten auch in Buxtehude gebildet. Die Stadt an der Este blieb im Jahr 2002 knapp vor einem Hochwasser verschont. Doch seitdem wird in der Stadt vehement ein besserer Schutz vor Fluten gefordert. Ende letzten Jahres wurde diese Forderung erhört und das Land bewilligte Millionen für entsprechende Maßnahmen. Die Pläne des Deichverbandes der II. Meile Landes sehen vor, die Schutzwände an der Este auf einer Länge von 1,8 Kilometern von 3,30 auf vier bis 4,80 Meter zu erhöhen. Außerdem sollen neue Deiche und Spundwände gesetzt werden.

In Buxtehude sollen Deiche erhöht und neu gebaut werden

Weil dafür aber im großen Stil Bäume gefällt werden sollen, bildet sich mittlerweile Widerstand gegen die Pläne. Eine Bürgerinitiative fordert, auf die Baumfällungen zu verzichten und stattdessen die Este in ihrem Oberlauf zwischen Moisburg und Buxtehude zu "renaturieren". Zukünftige Fluten würden gar nicht erst entstehen können, wenn die Este teilweise ihr altes Flussbett zurück erhielte. Dieser Position haben sich auch Politiker der Grünen und der FDP angeschlossen. Der Deichverband hingegen will auch in Buxtehude an den Maßnahmen festhalten.

Sind die Bürger, die sich gegen neue Deiche wehren, letztlich naive Menschen, die zum Erhalt des Stadtbildes eine Flut riskieren würden? Ganz anders sieht das Professor Erik Pasche, Leiter des Instituts für Wasserbau an der Technischen Universität Harburg. Er pflichtet den Kritikern grundsätzlich bei: "Im modernen Hochwasserschutz kann man nicht einfach immer weiter die Deiche erhöhen. Man muss den Fluss als Ganzes betrachten."

Im Falle Buxtehudes betont Pasche, dass er die Planungen nicht ausreichend kennt, um sie im Detail beurteilen zu können. Im Falle Horneburgs bezieht er allerdings klar Stellung: "Maßnahmen wie eine Verlegung der Lühe könnten verhindert werden, wenn man das Hochwasser im Oberlauf mehr zurückhält und auf mobile Wände setzt". Allerdings sei das auch eine "Frage der Kosten und der Bereitschaft, neue Wege zu gehen".

Vielleicht findet ja der runde Tisch noch eine Einigung, der sich jetzt mit dem Thema befasst und das nächste Mal im November tagt. In Buxtehude wird eine ähnliche Runde gefordert.