Die Idee eines Bürgerforums für Buxtehude ist gescheitert. Möglichkeiten, in die Politik einzugreifen, gibt es dennoch

Buxtehude. "Mehr Demokratie wagen" - dieses Motto von Willy Brandt könnte auch die Überschrift des jüngst von der Linkspartei in Buxtehude gestellten Antrages sein, in der Estestadt ein Bürgerforum einzurichten. Linken-Ratsherr Klemens Kowalski wollte damit den Bürgern ein Instrument an die Hand geben, in einem öffentlichen Rahmen ohne formale Grenzen ihre Sorgen und Nöte loszuwerden und gezielte Fragen an die Verwaltung und den Bürgermeister zu stellen. Zugleich sollte so die Arbeit der Verwaltung und der Politik transparenter werden.

FDP-Ratsfrau Marianne Eule empfiehlt Besuch der Ausschüsse

Der Rat der Stadt schmetterte dieses Ansinnen jedoch ab. Man wolle keinen Rat neben dem Rat schaffen, sagt Christian Krüger (SPD). Auch Marianne Eule (FDP) ist sich sicher, dass der neue Name "Bürgerforum" das Interesse der Einwohner an der Kommunalpolitik nicht verändern werde. Wer wirklich seine Meinung zu bestimmten Themen kundtun wolle, müsse in die Ausschüsse kommen, denn anders als im Stadtrat, wo nur noch abgestimmt wird, seien dort echte Diskussionen möglich.

Aber wie viel Bürgerbeteiligung gibt es tatsächlich? Hat der durchschnittliche Buxtehuder überhaupt eine Chance, "die da oben", wie es oft so schön heißt, mit seinen Anregungen, Bedenken und Fragen zu erreichen?

"Es ist ja so, dass wir in einer repräsentativen Demokratie leben", sagt Ralf Dessel, Leiter des Fachbereichs Steuerungsdienst, interner Service und Recht der Stadt Buxtehude. Das wiederum bedeutet, dass die Bürger ihre Vertreter im Stadtrat wählen und diese dann deren Interessen vertreten sollen. Bleibt nur zu klären, woher die Politiker wissen, was die Bürgerinteressen sind.

Am einfachsten können sie das natürlich erfahren, wenn die Bürger sich mit ihren Anliegen direkt an sie wenden und bitten, sich für sie einzusetzen. In Buxtehude könnte man als Beispiel den Einsatz der FDP für die Forderungen der Bürgerinitiative "Este" nach einer Renaturierung des Flusses anstelle des Baus von Deichen und Spundwänden nennen. Auch bei der Stadtverwaltung können sich die Bürger melden, doch das geschehe nach Aussage von Ralf Dessel äußerst selten.

Wenn dieser direkte Weg nichts mehr hilft, können Bürger zu anderen Mitteln greifen. Die Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) sieht zwei Instrumente der Bürgerbeteiligung vor: Zum einen die Einwohneranträge, zum anderen den Bürgerentscheid, dem ein Bürgerbegehren vorausgeht. Bei ersterem kann eine gewisse Anzahl der Einwohner einer Stadt per Antrag bewirken, dass sich der Rat mit einem Thema befasst. Beim Bürgerbegehren müssen innerhalb einer bestimmten Frist eine bestimmte Anzahl an Unterschriften zusammenkommen, damit es einen Bürgerentscheid geben kann. Die Frage muss dabei so formuliert sein, dass die Antwort schlicht Ja oder Nein lautet. "Der Bürgerentscheid ersetzt einen Ratsbeschluss", sagt Dessel.

In den Augen der Linkspartei sind aber gerade Bürgerbegehren und Bürgerentscheide "Konflikthöhepunkte", die bei rechtzeitigem Dialog in einem Bürgerforum hätten vermieden werden können. Unerwartete Unterstützung für diese Position bekommt die Partei nun auch von allerhöchster Stelle. Bundespräsident Christian Wulff hat am Wochenende angekündigt, ein Bürgerforum im Internet einzurichten, dass die Politikmüdigkeit der Deutschen überwinden helfen soll. Je 400 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger sollen in insgesamt 25 Regionen über Themen wie Bildung, Demografie oder Beteiligung diskutieren. Wulff verspricht sich davon einen besseren und frühzeitigeren Austausch zwischen Wählern und Gewählten zu kontroversen Themen, damit aus Betroffenen Beteiligte werden.

Mehrere Bürgerinitiativen zu Hochwasserschutz und Autobahnzubringer

Aber was ist, wenn es gar nicht die Betroffenen gibt, sondern mehrere, die unterschiedliche Meinungen haben? Dieses Problem sieht auch Ralf Dessel. "In Buxtehude haben wir zwei Bürgerinitiativen zum Hochwasserschutz und zwei zum Autobahnzubringer." Beide hätten konträre Meinungen, also schließt sich von vornherein ein bestimmter Beschluss aus, der alle zufrieden stellt. "Wenn das Meinungsbild einheitlich ist, ist es einfacher."

Zudem wirft Dessel ein, dass viele Bürger erst dann aktiv werden, wenn sie direkt betroffen sind. Zu sehen etwa bei den Hähnchenmastställen in Hedendorf. Das schwankende Interesse an der Politik sieht man auch an den nahezu konstant leeren Besucherreihen bei öffentlichen Sitzungen von Ortsrat, Ausschuss oder Rat. Kaum stehen jedoch die "heißen Eisen" wie Hochwasserschutz, Ganztagsschule oder Autobahnzubringer auf der Tagesordnung, wird der Saal brechend voll.

Dessel sieht gerade deshalb vor allem die Sondersitzungen zu diesen Themen als guten Weg, den Bürger zu beteiligen. Diese werden in Buxtehude bei Bedarf regelmäßig abgehalten und sind somit flexibler als ein Bürgerforum, das in einem bestimmten zeitlichen Abstand stattfinden würde. Trotz allem gibt die Linkspartei ihre Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung nicht auf. Klemens Kowalski beantragt jetzt eine Änderung der Geschäftsordnung, damit die Einwohnerfragestunde am Anfang der Ratssitzung erfolgt und auf Redebeiträge ausgeweitet wird. Bisher steht die Einwohnerfragestunde in Buxtehude am Ende einer Sitzung.

Ziel ist, dass betroffene Bürger vor einer endgültigen Ratsentscheidung noch eingreifen können, um die Ratsmitglieder zu beeinflussen. "Wenn die Mehrheit im Rat mit den Bürgern schon nicht intensiv reden will, dann sollen sie wenigstens diese 30 Minuten zuhören", sagt er.