Das Daumendrücken seiner Freunde half dem “Harzer Roller“ nicht.

Goslar. Vorher haben sie sich noch Mut gemacht. "Er muss gewinnen", sagt Barbara Meier (54). Seit sechs Jahren sitzt sie für die SPD im Stadtrat von Goslar. Sigmar Gabriel kennt sie schon, so lange sie denken kann. "Er hat den Sieg verdient." Ein bisschen klingt das nach Zweckoptimismus - verzweifeltem. "Sigmar ist ein Guter, der hat politische Visionen", sagt ein anderer. Mit jedem Augenblick steigt die Spannung in der Kneipe mitten in der Altstadt. "Er ist einer, der was bewegt und keine Unterschiede zwischen den Menschen macht", sagt die stellvertretende SPD-Ortsvereinsvorsitzende Renate Rehm-Köster (43). Sie alle fiebern mit. 20 Genos-sen haben sich inzwischen ver-sammelt. Noch wenige Minuten, dann kommt die erste Prognose. "Mir ist ganz flau im Magen", sagt Angela Waringer-Saisse (45). Als die ersten Zahlen dann über den Bildschirm flimmern, ist es einen Augenblick ganz still: 33 Prozent. "Man kann das nicht verstehen", sagt Barbara Scheller (48) und rührt in ihrer Kaffeetasse. Natürlich haben sie alle gewusst, dass es so kommen könnte. Aber sie konnten es sich einfach nicht vorstellen. Wollten es nicht. "An unserem MP lag es nicht", meint Gunhild Adler (42). Frank Schuhmann (36), der schon mit Sigmar Gabriel im Kreistag saß, sagt: "Die großen Fehler haben andere gemacht. Das Ergebnis ist der Denkzettel für die Politik in Berlin." Trotzdem: Irgendwie ist Gabriels Niederlage in Hannover auch ihre. Sigmar Gabriel ist fest verwurzelt in Goslar. Er wurde hier geboren, ging zur Schule und lebt bis heute mit seiner Lebensgefährtin Ines Krüger (31) in der idyllischen Kreisstadt. "Harzer Roller" wird er deshalb genannt. "Ich habe ihn schon gekannt, als er noch bei den Falken war, vor mehr als 30 Jahren", erzählt Erwin Teteamanti (73). Langsam füllt sich das Lokal. Alle, die hier sind, kennen Sigmar Gabriel. Haben seine politische Karriere verfolgt: 1987 Kreistag, 1990 Landtag, 1998 Fraktionschef, 1999 Ministerpräsident. "Es ging immer nur bergauf", sagt Angela Waringer-Saisse - und ein "bis jetzt" hängt in der Luft. Inzwischen sind die meisten auf Bier umgestiegen. Der Lärmpegel steigt, zwischendurch läuft Handball. "Wir tanzen heute nicht mehr auf den Tischen", sagt Renate Rehm-Köster. Die ersten Wahlkreisergebnisse trudeln ein. "Sieht nicht gut aus", sagt sie, sichtlich um Fassung bemüht. "Machen wir uns nichts vor: Die strafen uns ab." Dabei sei der Sigmar gut gewesen im Wahlkampf. "Einer der wenigen, die dem Kanzler noch Paroli bieten." Immerhin: Sein Direktmandat hat er behauptet - knapp. Natürlich stehen sie an diesem Abend alle hinter ihrem Polit-Promi. "Aber er hat auch Fehler gemacht", meint Gottfried Heinen (61). "Dass er bei den Lehrerstellen Zahlen genannt hat, das war nicht gut." Gerade erscheint der Noch-Ministerpräsident auf dem Fernsehschirm. "Ich habe die Wahlniederlage zu verantworten", sagt er und sieht schon ein bisschen mitgenommen aus. Anerkennend nicken seine Goslarer. "Der drückt sich nicht", sagt einer. "Natürlich ist die Niederlage ein harter Schlag, aber er wird das verkraften", meint sein alter Mitstreiter Frank Schuhmann. "Der kommt wieder, der wird noch Kanzler", prophezeit Gottfried Heinen und stößt noch einmal an. "Auf jeden Fall fangen wir ihn jetzt erst mal auf", sagt Renate Rehm-Köster. Gegen 23 Uhr wollte Sigmar nach Goslar kommen.