Peter Wippermann , Trendforscher und Professor für Kommunikationsdesign an der Uni Essen: "Mich beschäftigte nach dem 11. September die Wirkung dieser starken Bilder, die auf der ganzen Welt simultan wieder und wieder gesendet wurden. Ich denke, sie gehörten zur medialen Waffe der Terroristen. Ein paar Tage nach dem Anschlag habe ich ein Seminar an der Uni über die Bildsprache der aktuellen Berichterstattung veranstaltet. Wir wollten herausfinden, welchen Stellenwert Bildreportagen vor dem Hintergrund von Action-Videos und Computerspielen für Studenten heute noch haben. Ich rechnete damit, sie würden nach wie vor auf die traditionell emotional starken Reportage-Bilder der Opfer reagieren: die Frau, die über und über mit Staub bedeckt ist, die Feuerwehrleute, die Verunglückten und Helfer. Dem war aber nicht so: Wirklich fasziniert haben die Studenten ausschließlich die Bilder vom Einschlag der Flugzeuge in die Türme. Eine Sequenz von Fernsehbildern statt des klassischen stehenden Bildes. Ich war wirklich überrascht. Die Studenten hat vor allem die Ähnlichkeit der realen Berichterstattung mit den Bildwelten der Hollywood-Actionfilme interessiert. Realität und Simulation schienen zu verschmelzen, die Erinnerung an Sequenzen aus Unterhaltungsfilmen zerstörte die spontane Glaubwürdigkeit der Bilddokumente. Dass man simulierte Bilder nicht von realen Bildern unterscheiden konnte, sahen die Studenten als Problem, das auf ihrem Umgang mit Medien basiert. Woher sollte man wissen, ob sich ein Ereignis in Wirklichkeit so abspielte? Und wie könnte man als angehende Fotografen und Bildberichterstatter darauf reagieren? Mir wurde ein gewaltiger Generationssprung deutlich. Die Jüngeren, die mit Videospielen und intensiver TV-Berieselung aufgewachsen sind, stehen den Bildern viel emotionsloser und skeptischer gegenüber als wir, die wir ohne die digitalen Bildsprachen von Video-Clips und Toy Story aufgewachsen sind. Persönlich hat mich das sehr berührt. Ich hatte immer an die aufklärerische Kraft der traditionellen Reportage-Fotografie geglaubt. Doch diese journalistische Glaubwürdigkeit der Bildberichterstattung hatte sich in der Wahrnehmung der Studenten seit längerem stillschweigend verloren. Die Reportage-Bilder waren in Konkurrenz zu Kunstbildern der Unterhaltungsindustrie geraten. Sofortvertrauen in die Medienberichterstattung gibt es für die Jüngeren nicht mehr. Die Wirklichkeit wird zunächst auf Simulation überprüft. Je dramatischer die Bilder, desto mehr gilt das."