Brigadegeneral Peter K. F. Röhrs , Stellvertretender Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr und Direktor der Lehrgänge: "In der vergangenen Woche war ich mit einer Gruppe Soldaten in New York. Die Trümmer sind weggeräumt, aber die Fassaden der umliegenden Häuser sehen nach wie vor schlimm aus. Die Gebäude sind gar nicht nutzbar. Man muss das alles hautnah gesehen haben, um zu erkennen, was es für die Amerikaner bedeutet. Was mich am meisten beeindruckt hat: der Holzzaun, der Teile des Geländes absperrt, ist übersät mit Inschriften, von sehr wütend bis sehr traurig. Wenn man die jungen Menschen, 20 bis 30 Jahre alt, weinend davor stehen sieht, weiß man: Ground Zero wird für die Amerikaner ein Nationalmonument werden, egal, was dort in Zukunft passiert. Am 11. September vergangenen Jahres war ich noch in Bonn, im Führungsstab der Streitkräfte im Verteidigingsministerium. Wir haben uns in meinem Büro die Bilder im Fernsehen angesehen, alles kam mir so unwirklich vor. Wir hatten damals ja gar keine Zeit, lähmendes Entsetzen zu entwickeln, wir mussten nur schnellstens sondieren. Wir wollten helfen herauszubekommen, wer dahinter steckt. Wir fragten uns: Was müssen wir tun? Wäre das auch bei uns in Deutschland möglich? Diese Fragen haben uns tage-, nächte- und wochenlang beschäftigt. Erst als ich jetzt, ein Jahr danach, direkt am Ort des Geschehens stand, wurde mir richtig klar, was in New York wirklich passiert ist. Wir dienen jetzt in Streitkräften, die ihre Aufgaben nach dem Kalten Krieg und der erfolgreichen Wiedervereinigung schrittweise zum einsetzbaren Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik hin entwickeln. Der 11. September hat noch einmal einen Richtungswechsel zum weltweiten Einsatz der Bundeswehr im offensiven Kampf gegen den Terrorismus gebracht. Zusätzliche Aufgaben sind auf uns zugekommen, mit völlig anderen Inhalten: deutsche Marine am Horn von Afrika, Marineflieger, die von Kenia aus operieren, deutsche Soldaten und deutsche Spezialkräfte stehen in Afghanistan, deutsche ABC-Abwehrsoldaten in Kuweit. Was wir früher unter Krieg verstanden haben, ist im Augenblick in der alten Form nicht mehr da. Die Risiken sind nicht mehr nur militärischer Art. Wir haben es nicht mit stehenden Heeren zu tun, sondern mit Terroristen. Die Länder, aus denen sie kommen, haben vielfach religiöse, ethnische, ökonomische und soziale Probleme. Das alles müssen wir mit einbeziehen. Die Strukturen haben sich gewandelt - weg von der Landes- und Bündnisverteidigung mit vielen Panzern und schwerem Gerät, hin zu einer leichten, flexiblen, durchhaltefähigen Bundeswehr. Das alles hat natürlich auch Auswirkungen auf Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten und darauf, wie und was an der Führungsakademie, wo wir Stabsoffiziere ausbilden, gelehrt wird. Wir vermitteln in den Seminaren jetzt noch mehr Hintergrundinformationen über internationalen Terrorismus und Risiken aus islamischen und fundamentalistischen Strömungen. Wir beobachten die Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten. Sie haben in diesem Krisengürtel auch Auswirkungen auf die innere Lage in Afghanistan, wo unsere Soldaten sind, um die dortige Regierung zu schützen und zu stützen. Die Gedenkfeiern zum 11. September, insbesondere im Berliner Dom, an denen ich teilnehmen konnte, haben mir deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, nicht nur im Kampf gegen den Terrorismus die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten intensiv zu pflegen."