Zweites Verlies im Keller entdeckt. Österreichs Justiz räumt Fehler ein - und kündigt Konsequenzen an.

Wien. Der Inzest-Vater von Amstetten, der seine Tochter jahrelang eingesperrt und vergewaltigt hat, ist gestern zum ersten Mal seit seiner Inhaftierung von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Josef Fritzl (73) habe sich "kooperationsbereit" gezeigt, sagt ein Sprecher.

Fritzl hatte nach einem Geständnis am 28. April zunächst die Aussage verweigert. Jetzt sprach er doch mit Staatsanwältin Christiane Burkheiser. In dem anderthalbstündigen Gespräch sei es zunächst um die Lebensgeschichte des Mannes gegangen. Weitere Vernehmungen sind in den nächsten Wochen geplant. Fritzl wurde am 9. April 1935 in Amstetten geboren. Von seinen jungen Jahren ist nicht viel bekannt. Ein früherer Klassenkamerad erinnert sich, dass Fritzl als Jugendlicher "ein bisschen anders" gewesen sei. In Erinnerung blieb ihm dessen unmoderne Frisur. Spätere Arbeitskollegen und Arbeitgeber berichten, der gelernte Elektriker habe sich beruflich Respekt erworben. Später verkaufte er Maschinen für eine deutsche Firma in Österreich und war oft unterwegs. Er kaufte eine Gaststätte und einen Campingplatz, den seine Frau von 1973 bis 1996 in den Sommermonaten führte. Am Mondsee wurde Fritzl zweimal, 1974 und 1982, der Brandstiftung verdächtigt. Es fehlten aber Beweise. In Amstetten lebte Fritzl sein Doppelleben, ohne dass jemand misstrauisch wurde. Der Bürgermeister des Ortes, Herbert Katzengruber, hielt ihn bis vor Kurzem für einen angesehenen Bürger, und auch die Jugendwohlfahrt beurteilte ihn als guten Adoptivgroßvater der drei Inzest-Kinder, die mit im Haus leben durften.

Die Staatsanwältin besuchte auch den Keller, in dem der Mann seine Tochter 24 Jahre lang eingesperrt hatte. In dieser Zeit zeugte er sieben Kinder mit ihr, drei von ihnen adoptierte er mit seiner Frau, eines starb kurz nach der Geburt, drei weitere wuchsen bis zu ihrer Befreiung am 26. April im Keller auf.

Während die Staatsanwaltschaft nichts über den Inhalt der Vernehmung veröffentlichte, ließ der 73-Jährige selbst die Außenwelt über seinen Anwalt wissen, dass er sich ungerecht behandelt fühle. "Ich bin kein Monster", sagte Fritzl in einer von seinem Anwalt Rudolf Mayer übermittelten Botschaft. "Ich hätte ja alle töten können - dann wäre nichts gewesen. Niemand wäre mir draufgekommen", sagte er. Fritzl drohen 15 Jahre Haft wegen Entführung und Vergewaltigung sowie möglicherweise lebenslänglich wegen Mordes durch Unterlassen, weil ein Kind gestorben war.

Die österreichische Justizministerin Maria Berger (SPÖ) hat unterdessen Fehler der Behörden kritisiert. "Bei allem, was wir bisher wissen, sehe ich eine gewisse Leichtgläubigkeit - vor allem, was diese Sektengeschichte betrifft, mit der der Verdächtige das Verschwinden seiner Tochter erklärt hat." Heute würde man dem sicher genauer nachgehen. Als Konsequenz kündigt die Ministerin an, Kontrollen bei Adoptionen zu verstärken. Auch wenn Angehörige Verwandte adoptieren, soll deren Strafregister geprüft werden. Außerdem soll die Verjährungsfrist bei Sexualdelikten auf 30 Jahre erhöht werden.

Gestern haben die Ermittler ein weiteres Kellerverlies entdeckt. Durch eine endoskopische Untersuchung habe man festgestellt, dass in dem 40 Quadratmeter großen Hohlraum Bauschutt liege, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Filmberichte zum Inzest-Fall in Amstetten