Der Justiz zeigte sich Josef Fritzl “kooperationsbereit“. Währenddessen wittert Kirchenvertreter Bischof Wolfgang Huber die “Herrschaft des Bösen.“ Fritzl selbst betrachtet sich scheinbar als eine Art Wohltäter.

St. Pölten, Hamburg. Der Inzest-Täter von Amstetten, Josef Fritzl, ist am Mittwoch erstmals seit seiner Festnahme Ende April von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Das Verhör des 73-Jährigen begann gegen 10 Uhr morgens und dauerte mehr als zwei Stunden. Nach Angaben der vernehmenden Staatsanwältin, Christiane Burkheiser, zeigte sich der Tatverdächtige "kooperationsbereit". Ob Fritzls Anwalt Robert Mayer bei der Vernehmung anwesend war, war zunächst nicht bekannt. Bei der Vernehmung sei es vor allem um den persönlichen Werdegang des 73-Jährigen gegangen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Pölten, Gerhard Sedlacek.

Fritzl hatte im Polizeiverhör bereits gestanden, seine Tochter Elisabeth 24 Jahre in einem Verlies im Keller seines Haus eingesperrt und sieben Kinder mit ihr gezeugt zu haben. Eines soll kurz nach der Geburt gestorben sein. Die heute 42-Jährige Elisabeth und fünf ihrer Kinder werden von der Öffentlichkeit abgeschirmt in einem Krankenhaus betreut. Die älteste Tochter Elisabeths wird wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung in einer Klinik behandelt.

Zuvor hatte sich Josef Fritzl nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung über eine "einseitige" Berichterstattung beschwert. Seinem Anwalt sagte Fritzl laut dem Blatt, dass er überdies kein "Monster" sei, als das er in den Medien nach seiner Festnahme dargestellt werde. Vielmehr sieht sich der mutmaßliche Kidnapper und Vergewaltiger als Gutmensch, der seine Kinder schließlich auch alle hätte töten können.

Der EKD-Ratsvorsitzende in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, sieht im Inzest-Verbrechen von Amstetten "die Herrschaft des Bösen". In einem Interview der Zeitschrift "Bunte" sagte Huber: "Ich muss mich damit auseinandersetzen, dass der Gott der Liebe nicht wie ein Weltchirurg vorgeht, der im Vorhinein alles Böse aus dieser Welt herausschneidet, damit nur das Gute übrig bleibt." Huber rief dazu auf, über dem Inzest-Verbrechen in Niederösterreich nicht zur Tagesordnung überzugehen. "Eine Lehre aus diesem Fall für uns alle sollte sein: Verliere deinen Nachbarn nicht aus den Augen." In Amstetten hatte ein Vater seine Tochter eingesperrt, jahrelang missbraucht und sieben Kinder mit ihr gezeugt.

Indessen hat erstmals ein Mitglied der österreichischen Regierung Versäumnisse der Behörden eingeräumt. "Bei allem, was wir bisher wissen, sehe ich eine gewisse Leichtgläubigkeit", sagte Justizministerin Maria Berger der Wiener Tageszeitung "Der Standard" in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview.

Berger bezog sich darauf, dass der Verdächtige Josef Fritzl behauptet hatte, seine 1984 verschwundene Tochter sei in einer Sekte untergetaucht. "Heute würde man dem sicher genauer nachgehen", sagte Berger. "Auch wir als vorgesetzte Behörden werden schauen, ob man das eine oder andere verbessern kann."

Die Ministerin hat diese Woche einen Gesetzesentwurf zum Schutz vor Gewalt vorgelegt. So soll bei länger andauernden Gewalttaten der Strafrahmen auf zehn bis 20 Jahre Haft erhöht werden. Sexualstraftäter sollen zu Therapien verpflichtet werden und die Auflage erhalten, sich Schulen und Kindergärten fernzuhalten. Das Gesetz, das vor dem Sommer beschlossen werden soll, wurde bereits seit einem Jahr vorbereitet. Geplant ist auch die zentrale Erfassung von Daten von Sexualstraftätern, die von den Sicherheitsbehörden und den Vertretern für Jugendschutz abgerufen werden können.