Am Sonntag (5.30 Uhr/RTL und Premiere) startet die Formel 1 mit dem Großen Preis von Australien in die neue Saison. Wird sie ähnlich spannend und skandalös wie die vergangene, die geprägt war vom knappsten Finale aller Zeiten und der Spionageaffäre um Ferrari und McLaren?

Melbourne. Mehr denn je wird es auf die Piloten ankommen, weil technische Fahrhilfen wegfallen. Und die Teams können noch einmal aus dem Vollen schöpfen, bevor 2009 die Budgetobergrenze kommt. Die Typen sind so unterschiedlich wie die Lackierungen ihrer Formel-1-Rennwagen, aber wenn öffentlich die Charakterfrage erörtert werden soll, dann geben sie sich ziemlich einsilbig. Weil sie keine Antwort darauf finden? Da hat sich offenbar nichts verändert seit dem dramatischen Saisonfinale 2007, als Kimi Räikkönen im Ferrari die feindliche McLaren-Bruderschaft zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso um das eine, aber entscheidende Pünktchen düpierte. Beim ersten Auftritt des Favoritentrios vor dem Großen Preis von Australien am Sonntag (5.30 Uhr MEZ/RTL und Premiere live) wurde zwar einiges geredet, aber nichts gesagt. Brav wie die Messdiener klebten die schnellsten Langweiler der Welt an ihren Stühlen und spielten ein Versteckspiel mit Worten. Emotional wurde es nur einmal, aber auch da war nur Hamiltons Stuhl ins Wackeln geraten.

Dabei wäre ein Dreikampf der Charaktere das ideale Szenario und alles angerichtet für ein Jahr des Revanchismus. Nur: So lenkt das Trio infernale vielleicht, aber so denkt es nicht. Weder Angriff noch Angriffsfläche herrschte im Albert Park, es blieb also nur die Interpretation der Äußerlichkeiten. Räikkönen hat sich tatsächlich in fetten Lettern den Spitznamen "Iceman" auf den linken Unterarm tätowieren lassen; Hamilton trägt ein goldenes Kreuz unter dem Hemd mit dem silbernen Stern; Alonso schlappt in offenen, quietschgrünen Basketballstiefeln auf die Bühne. Diese Halbstarken-Versammlung hätte auch an jeder Vorstadt-Tanke stattfinden können. Da wäre es vielleicht sogar ein bisschen lustiger, zumindest lauter geworden.

Aber die Sache ist richtig ernst. Von Selbstzweifeln wird in der Regel zwar keiner der Protagonisten gequält, aber Kampfansagen klingen anders als das verbale Warm-up. "Ich bin viel entspannter", sagt Räikkönen. "Ich bin viel stärker", behauptet Hamilton. "Ich habe nichts zu beweisen", glaubt Alonso. Der Spanier ist sich ohnehin nicht ganz sicher, ob er angesichts der Leistungsfähigkeit des Renaults zu Saisonanfang unbedingt in diese erste Reihe gehört. Vielleicht rücken als die Nummer 3a, 3b und 3c in diesem Dreikampf auch die jeweiligen Adjutanten Felipe Massa (Ferrari), Heikki Kovalainen (McLaren) oder gar Nelson Piquet jr. (Renault) nach. Mal ganz abgesehen von den Ansprüchen eines Nick Heidfeld (BMW) oder Nico Rosberg (Williams).

Das Trio infernale - drei Egos, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Kimi Räikkönen ist der unauffälligste Champion, den dieser Sport bisher hatte. An seinem Gemüt aus Teflon perlen auch alle persönlichen Animositäten der Konkurrenten ab, diese Fähigkeit hat mit zur ungewöhnlichen Aufholjagd des 28-Jährigen im Vorjahr beigetragen. Und genau das macht ihn, zusammen mit der ausgereiften technischen Basis des Ferraris, auch 2008 zum erklärten Favoriten. Er hat sich keinen Deut verändert, außer dass er endlich die Sorge los ist, nie Weltmeister zu werden. Und solange er so gut fährt, lässt ihm Ferrari auch die Leine lang.

Lewis Hamilton hat so ziemlich alles erreicht in seinem Debütantenjahr, nur den WM-Titel hat er verloren. Pech, Nerven, Unvermögen? Über die weitere Motivation muss man nicht sprechen, Zweiter zu sein hat dem 23-Jährigen noch nie gereicht. Seit Michael Schumacher gab es niemanden, der so polarisiert wie der junge Aufsteiger. Mit ihm ist offiziell der Generationswechsel in der Königsklasse eingeleitet. In der Finanz-Wertung hat er mit seiner Vertragsverlängerung bis 2012 schon aufgeholt: Das Fixum von 2,5 Millionen Dollar per annum erhöht sich jährlich um genau diese Summe. Verloren hat er hingegen sein Überraschungsmoment, alle sind gewarnt nach seinem famosen Einstand. Er wird zum offenen Angriff übergehen, schließlich will er immer noch jüngster Weltmeister der Geschichte werden: "Es ist großartig, wieder hier zu sein, wo alles begann."

Fernando Alonso hat jetzt alles, was er bei McLaren immer wollte: einen Ausnahmestatus im Team, eine Gehaltserhöhung, ein Umfeld, das er mag. Renault hat viele Prinzipien geopfert, um den verlorenen Sohn zurückzugewinnen. Auch für den Spanier, Weltmeister von 2005/2006, bedeutet die Rückkehr eine Umkehr. Er bereut zwar das McLaren-Intermezzo nicht, aber die unschöne Eskalation im Duell mit Hamilton hat ihm viel an Habitus gekostet. Der 25-Jährige muss zeigen, was er wirklich wert ist und ob seine volle Aufmerksamkeit einen Rennwagen wirklich um eine Sekunde schneller machen kann. Das wäre der Bruchteil, der dem französischen Team momentan offenbar zur Siegtauglichkeit fehlt. Team und Fahrer wollen sich aneinander aufrichten, der verlorene Sohn ist auf der Suche nach dem Selbstbewusstsein.

Grundsätzlich ist der Formel 1 an Attraktivität nichts verloren gegangen. Die Revanche im Dreikampf der Fahrer und im Giganten-Duell der Rennställe weckt genau die Emotionen, von denen das verdichtete Gemisch aus Sport und Show lebt. Nach dem Jahrhundertfinale von São Paulo fürchtet die Branche in dieser Hinsicht lediglich, dass Ferrari aufgrund der eigenen Stärke zum Solo ansetzen könnte. Das bis zum Schluss offene Titelrennen vom Vorjahr hat alle verwöhnt. Der Angriff soll aus dem Mittelfeld erfolgen, angeführt von BMW - aber auch von den anderen Konzernrennställen, die unter extrem hohem Erwartungsdruck stehen. Ein Reizklima, aber das regt bekanntlich an. Es könnte eng werden unter den Verfolgern. Prognosen fallen so schwer wie selten, was immer ein gutes Zeichen ist.

Die unterschiedlichen Ansätze der Topfahrer taugen mehr als alle Worte, um den Dreikampf zu beleben - denn keine Sorge, es wird garantiert wieder persönlicher. Die Australier schwören auf ein passendes Sprichwort: "Auf der Rennstrecke gibt es kein Verstecken mehr."