Im Interview spricht Bauwagenbewohnerin Cécile Lecomte über ihre Motivation, im Bauwagen zu leben, Vorurteile und die Kosten für die Wagenburg

Lüneburg. Der Bauausschuss beschäftigte sich in der letzten Woche mit dem Umzug von dreißig Bauwagen nach Ochtmissen. In Sichtweite der Narutostraße, zwischen Baseballplatz und Biotop, sollen Wagenbewohner, die ihre Standorte im Meisterweg und in der Uelzener Straße wegen des "Hanseviertels" und des Ausbaus eines Kindergartens räumen müssen, einen neuen Stellplatz bekommen. Daraufhin wurde der Protest einiger Anwohner laut.

Die Rundschau sprach mit Cécile Lecomte. Sie bewohnt einen Bauwagen in der Uelzener Straße und ist Mitglied im Verein Lebens(s)wagen.

Lüneburger Rundschau:

Frau Lecomte, einige Anwohner in Ochtmissen befürchten, dass ihre Häuser an Wert verlieren, wenn die Bauwagensiedlung kommt. Können Sie die Befürchtungen nachvollziehen?

Cécile Lecomte:

Die Ängste der Anwohner scheinen auf Vorurteilen zu basieren, die nicht der Wahrheit entsprechen. Es klingt nach Angst vor Veränderung und vor fremden Menschen. Wir sind keine Aussteiger, sondern lebenslustige Menschen, die viel unternehmen und auf die Beine stellen. Viele von uns sind, wenn sie nicht studieren, erwerbstätig. Ich arbeite zum Beispiel als selbstständige Künstlerin, freie Journalistin, Dolmetscherin und Referentin. Laute Musik gibt es bei uns auch nicht, die Anlage würde zu viel Strom saugen. Dafür spiele ich gern Akkordeon.

Wie begegnen Sie diesen Vorurteilen?

Ich lade jeden interessierten Bürger dazu ein, uns auf dem noch bestehenden Bauwagenplatz an der Uelzener Straße zu besuchen, um sich ein Bild vom Leben im Bauwagen zu machen und uns kennenzulernen.

Vor zwei Jahren haben Sie sich entschlossen, in einen ausgebauten Bauwagen zu ziehen, ohne Privilegien wie fließendes Wasser oder Strom. Warum haben Sie diesen Schritt getan?

Ich wollte näher an der Natur leben und es ist ein wunderschönes Erlebnis. Außerdem schätze ich die Gemeinschaft. Sie wird dadurch gefördert, dass unsere Wagen klein sind und das Leben oft draußen stattfindet. Nachbarn laufen einem so zwangsläufig über den Weg. Menschliche Wärme ersetzt materiellen Komfort wie beispielsweise das Fernsehen. Unsere Lebensform wird in Zeiten des Klimawandels auch immer zeitgemäßer. Wenn man jeden Liter Wasser schleppen muss oder den Strom durch Solarmodule selbst erzeugt, wird einem viel bewusster, wie wertvoll diese Ressourcen sind.

Das Gelände in Ochtmissen muss noch erschlossen werden. Die Kosten für Rettungswege und Wasserleitungen schätzt die Stadt auf etwa 50 000 Euro. Die Anwohner kritisieren diese Investition, sie hätten das Geld für ihre Grundstücke auch selbst aufbringen müssen.

Es stimmt nicht, dass die Bauwagensiedlung hoch subventioniert wird. Im Gegensatz zu Eigentümern handelt es sich bei uns um ein Pachtverhältnis, vergleichbar mit einem Mietverhältnis. Mieter müssen Erschließungskosten eigentlich nicht tragen, dass ist Aufgabe des Eigentümers und Vermieters. In unserem Fall tragen wir jedoch die vollen Kosten. Da wir keine Eigenmittel haben, wird dies über einen Zeitraum von mehreren Jahren geschehen. Zusätzlich nimmt die Stadt Zinsen.

Am Ende hat die Stadt also keine Mehrausgaben?

Letztendlich wird sogar mehr Geld eingenommen, denn die Pachthöhe entspricht der einer Kleingartenkolonie. Derzeit wird das Grundstück landwirtschaftlich verpachtet und nur ein Drittel dessen eingenommen, was wir später an Pacht zahlen werden.

Die Anwohner aus Ochtmissen überlegen, ein höheres Gegenangebot für die Fläche zu machen oder einen Fachanwalt einzuschalten. Glauben Sie, dass die Anwohner die Siedlung verhindern können?

Nein. Es ist die Aufgabe einer Stadt, Lebensraum für alle Bürger, möglichst ihren Wünschen entsprechend, zu schaffen. Danach muss die Stadt entscheiden, nicht nach finanziellen Gesichtspunkten. Außerdem denke ich nicht, dass die Anwohner eine Rechtsgrundlage haben. Wenn jemand verhindern will, dass neben seiner Villa Sozialwohnungen gebaut werden, kann er auch nicht einfach hingehen und das Grundstück nebenan kaufen.