Die Axel Springer AG und das Hamburger Abendblatt tun eine Menge, um Ressourcen zu schonen. Dabei wird an vielen Punkten optimiert: beim Papier, bei den Druckfarben und sogar bei den Lastwagen-Kilometern.

Hamburg. Einige Leser behaupten, sie könnten ihre Zeitung blind am Papier erkennen: Wie liegt sie in der Hand? Wie rau ist die Oberfläche? Und taugt sie zum Aufsaugen von verschüttetem Kaffee? Das Abendblatt-Papier verhält sich tatsächlich immer gleich, auch wenn es aus drei verschiedenen Quellen stammt und mal mehr, mal weniger Altpapier enthält. Es wiegt immer 42,5 Gramm pro Quadratmeter und wird mit speziellen, schadstoffarmen Farben bedruckt, die so genau dosiert sind, dass die Finger bei der Zeitungslektüre meist sauber bleiben. "Wir sind nicht weit entfernt von einer essbaren Zeitung", sagt Herbert Woodtli, Einkaufschef der Springer AG, und schmunzelt.

22 400 Tonnen Papier werden im Jahr für das Abendblatt verbraucht - sie würden 560 große Lkw füllen. Etwa 60 Prozent liefern die schwedischen Papierkonzerne SCA und Holmen, 40 Prozent die niederländische Papierfabrik Parenco, die zum norwegischen Konzern Norske gehört. Endstation für die tonnenschweren Riesenrollen ist die Druckerei Ahrensburg. Das schwedische Papier reist per Schiff nach Lübeck und von dort auf dem Lkw in die Druckerei, die niederländische Ware rollt per Lkw oder Bahn an. "Wir versuchen, mit möglichst wenig Tonnen-Kilometern auszukommen, um Transportkosten zu sparen", sagt Woodtli.

Im Gegensatz zu den Springer-Druckereien in Spandau und Essen-Kettwig sitze Ahrensburg direkt an der Quelle, betont der Chefeinkäufer und meint damit die skandinavischen Wälder. Deshalb sei der Frischfaseranteil in den Papieren, die hier im Norden bedruckt werden, deutlich größer als an anderen Standorten - in Spandau werde zu 100 Prozent Recyclingpapier benutzt. Die Berliner Kollegen beneideten die Hamburger ein bisschen, verrät Woodtli, denn Frischfaserpapier sei voluminöser und besonders "sympathisch zum Anfassen".

Obwohl die Herstellung von Recyclingpapier etwa 60 Prozent weniger Wasser und Energie benötigt als Frischfaserpapier, hält Woodtli den relativ geringen Altpapieranteil des Hamburger Abendblattes von etwa 30 Prozent nicht für einen Umweltnachteil: "Der Papierkreislauf braucht Frischfasern. Im Recyclingprozess verlieren die Fasern an Länge." Deshalb könne eine Faser nur etwa fünfmal eingesetzt werden und müsse dann durch Frischware ersetzt werden. Oliver Salge, Waldexperte bei Greenpeace, sieht dies kritischer: "Die benötigte Menge an Frischfasern könnte allein durch Magazinpapiere in den Kreislauf eingespeist werden." Er betont zwar auch die logistische Nähe zu Skandinavien, fordert aber dennoch einen "möglichst hohen Recyclinganteil".

Ansonsten lobt Salge das Umwelt-Engagement der Springer AG: "Das ist einer der wenigen Verlage, der seine Lieferanten und die verwendeten Papiersorten benennt. Wenn bei Lieferanten Probleme auftreten, mischt sich der Verlag ein und nutzt seine Nachfragemacht." In solchen Fällen tritt Florian Nehm auf den Plan, Nachhaltigkeitsbeauftragter des Verlags. Er kümmerte sich bereits um die Umweltaspekte im Unternehmen, als Springer 1995 eigene Waldnutzungsstandards setzte und seine Lieferanten verpflichtete, diese Schritt für Schritt einzuhalten.

Mit Umweltschützern aus verschiedenen Verbänden oder kritischen Journalisten aus dem eigenen Hause durchstreifte Nehm immer wieder Wälder von Norwegen bis Russland, prüfte den Umgang seiner Lieferanten mit den Rohstoffquellen der Zeitungen und Zeitschriften. Er fordert von den Papierherstellern einen lückenlosen Herkunftsnachweis für das Holz, um sicherzustellen, dass es nicht aus den nordischen Ur- oder Altwäldern stammt.

"Noch immer ist die Rückverfolgbarkeit, die Verbindung von der Zeitung zum Wald oder zum Recycling, die größte ökologische Herausforderung", so der Umweltexperte. "Wir brauchen tragfähige Kompromisse zwischen einer angemessenen Waldnutzung und dem Naturschutz. Dabei kommen auch Rentierhalter, Landwirte und andere Interessengruppen mit ins Spiel."

Die Konkurrenz ums Holz sei gewachsen, weil der Rohstoff als Energieträger und zum Bauen verstärkt nachgefragt werde, so Nehm. Umso wichtiger ist es, mit dem wertvollen Rohstoff sparsam umzugehen. Deshalb gilt es, aus einer Tonne Papier möglichst viele verkaufsfähige Zeitungen herauszuholen. Der verbleibende Ausschuss heißt im Fachjargon Makulatur. Sie besteht aus Fehldrucken und Verpackungsmaterial inklusive des Pappkerns, auf dem das Papier aufgerollt ist. Die Makulaturquote sinkt derzeit im Durchschnitt um vier Prozent pro Jahr. Einkaufschef Woodtli: "Nach dem Einspannen der Rollen sind nur die ersten 100 Exemplare im Druck nicht gut, bei einem fliegenden Rollenwechsel gehen etwa zehn Zeitungen durch die Klebestelle verloren." Marginaler Ausschuss entstehe zudem beim Einstecken der einzelnen Zeitungsteile ineinander.

Viel Geld und Papier ließen sich sparen, wenn die werktags knapp 60 000 Abendblätter für den Einzelverkauf (Wochenendauflage: 130 000) in der richtigen Menge genau dort ausliegen, wo sie nachgefragt werden. Helmut Schmidt vom Abendblatt-Vertrieb versucht diesem Ideal möglichst nahe zu kommen. Er absolviert täglich die Gratwanderung zwischen möglichst wenig Rücklauf von nicht verkauften Zeitungen (Remission) und der Vermeidung von Ausverkäufen, um keine Kunden zu verlieren.

Für die grobe Disposition orientiert sich Schmidt am bisherigen Verkauf und dem allgemeinen Auflagentrend, berücksichtigt Sonderaktionen wie Beilagen zu Sportveranstaltungen oder Werbemaßnahmen, jede Urlaubssaison und die Nachrichtenlage. "Der 11. September 2001 war bisher die größte Herausforderung", sagt der Vertriebsexperte. "Wir haben die Auflage verdoppelt - und alles verkauft."

Je kleiner die Verkaufsstellen, desto höher sei die Remission, so Schmidt: "An Kleinstverkäufer liefern wir mindestens zwei Exemplare aus. Wenn eines verkauft wird, haben wir eine Remissionsquote von 50 Prozent, das ist eigentlich nicht hinnehmbar." Doch die Alternative hieße, das Abendblatt dort nicht mehr anzubieten. Unterm Strich wandert im Einzelverkauf etwas mehr als ein Drittel der Abendblattausgaben ungelesen ins Recycling. Bezogen auf die Druckauflage (werktags 270 000; am Sonnabend 341 000) sind das um die zehn Prozent.

Vier Grundfarben machen das Abendblatt erst so richtig bunt. Sie sind ebenso speziell wie das Papier. "Die Springer AG setzt besonders hoch konzentrierte Farben ein", erklärt Woodtli, der jahrelang die Ahrensburger Druckerei leitete. "Pro Quadratmeter Papier reicht ein Gramm schwarz - das ist das Ergebnis des Kampfes gegen schmutzige Finger." Die Farben sind optimal an die Papierstruktur angepasst: Die molekulare Größe der Farbpartikel ist auf die Kapillargröße des Zeitungspapiers abgestimmt. Die Kapillarröhrchen nehmen die Farbe sehr gut auf; sie ist dadurch fest am Papier verankert. Dank der Spezialprodukte ist der Farbverbrauch der Springer-Zeitungsdruckereien zwischen 2005 und 2007 um fast zehn Prozent gesunken.

Die Farben bestehen aus ungiftigen Ölen und Harzen auf Minerealölbasis - "die Öle sind so rein, dass sie in der Kosmetikindustrie eingesetzt werden könnten", so Woodtli. Die Farben sind nicht wasserlöslich und lassen sich deshalb im Recyclingprozess sehr gut von den Papierfasern trennen, wenn das Altpapier mit Wasser unter Zugabe eines Waschmittels zu Brei verrührt wird.

Hightech-Papier und -Farben - und natürlich die redaktionellen Beiträge - machen das Abendblatt zu einem unverwechselbaren Produkt, das sich außerdem noch gut anfassen lässt. Und dafür muss man es nicht unbedingt mit geschlossenen Augen erkennen können.