Wie empfinden ältere Menschen den Umzug ins Altenheim, warum ist Beistand dort wichtig? Interview mit Altenheimseelsorger Tobias Götting.

Tobias Götting (36) ist Pastor in der Ansgar-Kirchengemeinde in Langenhorn und betreut als Seelsorger zwei Alten- und Pflegeheime.

ABENDBLATT: Wie erleben die alten Menschen den Umzug ins Altenheim?

GÖTTING: Viele kommen direkt aus dem Krankenhaus ins Pflegeheim. Sie leiden darunter, daß sie nicht mehr nach Hause zurück können. Manche fühlen sich abgeschoben, und frühere Kontakte drohen abzubrechen. Andere haben das Gefühl, nun zu nichts mehr nütze zu sein. Sie sagen: Jetzt reicht es, eigentlich möchte ich nicht mehr leben.

ABENDBLATT: Wie können Sie den Menschen helfen?

GÖTTING: Als Seelsorger begleite ich Menschen an Wendepunkten ihres Lebens. Ich höre ihnen zu und mache deutlich, daß ich ihre Gefühle

ernst nehme. Besonders über den Wunsch zu sterben können viele mit ihren Angehörigen nicht sprechen. Ich rege die Menschen darüberhinaus aber auch an, das eigene Leben noch einmal zu würdigen, zu "rekonstruieren"; und zu überlegen, was es noch zu tun gibt. Möchte ich noch etwas in der Familie klären? Was muß mir noch mal nahe kommen, damit ich es dann loslassen kann? Wer sich nutzlos fühlt, dem sage ich: Du kannst einen wichtigen Dienst für uns alle tun: nämlich beten.

ABENDBLATT: Gibt es genügend Seelsorger in Altenheimen?

GÖTTING: Die ausgewiesenen Stellen für Altenheimseelsorge gehen leider zurück. Trotz knapper Kassen dürfen aber die alten Menschen nicht vergessen werden. Sie haben mit ihrer Arbeit zu unserem heutigen Wohlstand beigetragen. Wenn wir für sie da sind, würdigen wir damit auch ihre Lebensleistung. Außerdem sind die Heimseelsorger auch Ansprechpartner für Besucher und Mitarbeiter.

ABENDBLATT: Wie können die Seelsorgerstellen finanziert werden?

GÖTTING: Ich arbeite neben meiner halben Stelle als Gemeindepastor zur Zeit befristet auf einer Viertel-Stelle als Seelsorger für zwei Heime. Um das Angebot aufrechtzuerhalten, sollte über neue Finanzierungsmodelle nachgedacht werden. Manche Heime gründen einen Förderverein. Darüberhinaus könnte die Seelsorge den Heimen auch als eine "Dienstleistung" neben anderen angeboten und mitfinanziert werden.