Dokumente über Christian Wulffs Privatkredit enthalten wenig Neues. Zahlte Maschmeyer ihm Werbekampagne für ein Buch?

Berlin. Die Transparenzoffensive des Bundespräsidenten ist 27 Seiten dick und passt in einen schmalen Aktenordner. Sechs davon liegen auf einem hellen Tisch in einem Konferenzraum der Berliner Dependance der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs. Die Büros sind im sechsten Stock eines Bürogebäudes am Potsdamer Platz untergebracht. Das Brandenburger Tor, das Wahrzeichen der Hauptstadt, ist nur wenige Gehminuten entfernt.

So sieht es also aus, wenn Christian Wulff Einblick gewährt in jene Dokumente, über deren Inhalt seit einer Woche gestritten wird. Hat der Bundespräsident in seiner Zeit unrechtmäßig einen Privatkredit zu vergünstigten Konditionen erhalten? Hat er den Landtag in Hannover über die Herkunft von 500 000 Euro für sein Einfamilienhaus in Burgwedel getäuscht? Auf keiner der 27 kopierten Seiten, die seit gestern für Journalisten nach vorheriger Terminabsprache einsehbar waren und nicht fotografiert oder gefilmt werden durften, lassen sich Hinweise finden, die nicht die bisherige Argumentation des Bundespräsidenten stützen würden. Im Gegenteil: Wie den Papieren, die unter anderem den Vertrag über das Darlehen der Wulffs bei der Unternehmergattin Edith Geerkens enthalten, zu entnehmen ist, ist alles so abgelaufen, wie Wulff und Geerkens sagen: Frau Geerkens hat Christian und Bettina Wulff am 25. Oktober 2008 eine halbe Million Euro "ohne Verwendungszweck zur freien Verfügung gewährt". Das Darlehen soll "Ende November 2008" ausgezahlt werden, die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Der Zinssatz ist handschriftlich von zunächst 4,5 Prozent auf 4,0 Prozent reduziert, die monatliche Zahlung entsprechend von 1875 auf 1666 Euro. Darunter finden sich die Unterschriften von Edith Geerkens mit einem schwungvollen E bei ihrem Vornamen sowie dem Ehepaar Wulff.

In sieben Abschnitte ist die Akte Wulff unterteilt. Neben dem Kreditvertrag finden sich auch der Kaufvertrag über besagtes Einfamilienhaus in 30938 Burgwedel. Kaufpreis 415 000 Euro, fällig am 1. Dezember 2008. Zudem gibt es eine Bestätigung der Sparkasse Osnabrück, sie habe Edith Geerkens am 18. November 2008 einen Bundesbankscheck über 500 000 Euro ausgestellt. Weitere Bestätigungen erst der Sparkasse Osnabrück und dann der Sparkasse Hannover belegen die Zinszahlungen Wulffs an Frau Geerkens. Eine in Burgwedel ausgestellte Überweisung vom 27. März 2010 mit Wulffs Unterschrift dokumentiert die Rückzahlung der 500 000 Euro. Daneben bittet Wulff handschriftlich den Sachbearbeiter der BW-Bank, bei der er einen neuen Kredit aufgenommen hat: "Es wäre nett, wenn Sie die Kontonummer von Frau Edith Geerkens nachtragen und die Überweisung zum 1.4.2010 veranlassen. Ihnen Dank und frohe Ostern."

Bundespräsident Wulff weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik

Der Bundespräsident und die 500.000-Euro-Frage

Kredit verspielt

Beendet ist die Diskussion um den Bundespräsidenten trotz seine Offenheit damit jedoch nicht. Denn noch immer deuten Indizien darauf hin, dass eigentlich Wulffs Unternehmerfreund Egon Geerkens hinter dem Geschäft seiner Frau stand und es auch eingefädelt hat. Genau das legen Aussagen nahe, die er gegenüber dem "Spiegel" gemacht hat. So hat er dem Magazin gesagt, er selbst habe die Verhandlungen mit Wulff über den Kredit geführt. Er habe sich auch überlegt, "wie das Geschäft abgewickelt werden könnte". Würde dies zutreffen, hätte Wulff zu seiner Zeit als Ministerpräsident nicht die Wahrheit gesagt, als er nach einem Urlaub in der Geerkens-Villa in Florida gegenüber dem Niedersächsischen Landtag behauptet hat, keine geschäftliche Beziehung zu Egon Geerkens gehabt zu haben. Seine Transparenzoffensive, die bereits am Sonntag damit begann, dass seine Anwälte eine Liste mit Urlaubsaufenthalten bei vermögenden Freunden veröffentlichten, bringt somit nur wenig Ordnung in das Dickicht aus Hinweisen, das Wulff seit nunmehr einer Woche umrankt.

Die Opposition sieht Wulffs Reputation und moralische Integrität jedenfalls noch lange nicht gerettet. "Bis auf ein paar schmale Worte des Bedauerns und einer Hinhaltetaktik, was die Wahrheit angeht, haben wir bisher von diesem Bundespräsidenten nichts gesehen", kritisierte etwa SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Anders sieht es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die derzeit überhaupt kein Interesse daran hat, dass ihr Bundespräsident ins Wanken gerät. Bei einem Besuch im 1500 Kilometer entfernten Kosovo sagte sie, Wulff habe weiter ihr vollstes Vertrauen. Der Bundespräsident selbst hat sich vorgenommen, um sein Amt zu kämpfen. Unterstützt wird er dabei vom Anwalt Gernot Lehr, der schon für andere prominente Politiker gearbeitet hat und auch den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau in der sogenannten Flugaffäre vertrat.

Gestern wurden neue Vorwürfe gegen Wulff laut: Nach Informationen der "Bild" soll der niedersächsische Unternehmer Carsten Maschmeyer Zeitungsanzeigen bezahlt haben, mit denen im Herbst 2007 während des niedersächsischen Landtagswahlkampfs für das Buch "Besser die Wahrheit" von Wulff geworben wurde. Maschmeyer habe die Rechnung für die Werbung zu dem Interview-Buch in Höhe von 42 731,71 Euro aus seinem Privatvermögen beglichen. Das Interview-Buch, in dem Wulff sein privates und politisches Leben beschreibt, sei ein wichtiges Instrument des CDU-Wahlkampfes gewesen, schreibt die Zeitung: Die Partei habe seinerzeit einige tausend Exemplare gekauft und als Wahlwerbung verschenkt.

Heute könnte es ohnehin ernst werden für Wulff. In einer kurzfristig einberufenen Sitzung wird sich der 17-köpfige Ältestenrat des Niedersächsischen Landtags mit seinem Fall beschäftigen. Hier geht es auch um die Frage, ob Wulff gegen das Niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat. Danach sind Geschenke an Regierungsmitglieder nur in Ausnahmen zulässig. Nicht erlaubt sind Vergünstigungen, wenn es einen Bezug zum Amt gibt. In Wulffs Fall könnte dies auf die kostenlosen Unterkünfte bei Freunden und den zinsgünstigen Kredit zutreffen.