Bundespräsident Christian Wulff soll noch mehr private Ferienaufenthalte bei befreundeten Unternehmern verbracht haben als bisher bekannt.

Hannover/Berlin/München. Urlaub bei Freunden: Bundespräsident Christian Wulff hat noch mehr private Ferienaufenthalte bei befreundeten Unternehmern verbracht als bisher bekannt. Während seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident habe er insgesamt sechs Mal die Räumlichkeiten von befreundeten Unternehmern für private Urlaube genutzt, berichtete die "Bild“-Zeitung (Montagausgabe) unter Berufung auf eine aktuelle Anfrage beim Bundespräsidenten.

Unter anderem sei die Familie Wulff 2003 und 2004 zwei Mal zu Gast bei der befreundeten Unternehmerfamilie Geerkens in Spanien gewesen. 2008 habe das Ehepaar Wulff dann die Flitterwochen im italienischen Anwesen des Unternehmers Wolf-Dieter Baumgartl verbracht, der seit 2006 Aufsichtsratschef der Talanx-Versicherungsgruppe ist, schreibt die Zeitung.

Zuvor hatte am Sonntag der niedersächsische SPD-Fraktionschef Stefan Schostok Bundespräsident Christian Wulff zu umfassender Auskunft an den Ältestenrat des Landtags in Hannover aufgefordert. "Wir wollen wissen, ob es ein System der finanziellen Unterstützung gab“, sagte Schostok am Sonntag mit Blick auf die anberaumte Sitzung des Gremiums zur Kredit-Affäre. "Es geht um den Verdacht eines Systems, einer Vermischung von politischen, privaten und wirtschaftlichen Interessen“, betonte Schostok.

Die SPD wolle Wulff "Chance auf Klärung“ bieten. "Falls er wieder nur bröckchenweise antwortet, dann wird er fortlaufend ein Problem haben“, sagte Schostok. Man wolle auch eine rechtliche Prüfung, ob Wulff gegen das Ministergesetz verstoßen habe.

Stoiber stärkt Wulff den Rücken

Derweil warnt der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber vor negativen Folgen für das Vorgehen gegen die Euro-Schuldenkrise bei einem Rücktritt Wulffs. Stoiber sagte am Sonntag im Bayerischen Fernsehen, es wäre ein "großes Problem“, wenn sich Deutschland jetzt wochenlang mit diesem Thema auseinandersetzen würde. Denn die "Führung“ der Bundesrepublik müsse sich darauf konzentrieren, Europa "währungspolitisch zusammenzuhalten“.

Der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident mahnte: "Deutschland hat eine große Aufgabe im Zusammenhang mit dem Euro.“ Denn es sei "gegenwärtig wirklich eine führende Nation in der Europäischen Union“.

Stoiber fügte hinzu: "Die Europäer sind ja gegenwärtig nach Auffassung der Chinesen und der Russen und der Amerikaner - und das sind ja nun drei wichtige Nationen - eigentlich die Quelle allen Übels in der Welt.“ Von China komme auch der Vorwurf: "Was kümmert ihr euch um unsere Menschenrechte? Ihr Demokratien könnt ja nichts anderes, als Schulden machen.“

Stoiber stärkte zugleich Wulff, der wegen eines umstrittenen Privatkredits in die Kritik geraten ist, den Rücken: "Ich kann mich jetzt eigentlich nur Angela Merkel anschließen, die vollstes Vertrauen in den Bundespräsidenten hat und ihm natürlich auch zur Seite steht.“ Wulff werde die neu aufgetauchten Fragen sicherlich beantworten.

Stoiber betonte, die "Durchleuchtung von Personen des öffentlichen Lebens“ werde in Deutschland "sehr, sehr intensiv betrieben“. Und die Anforderungen, die die Bevölkerung an ihre Repräsentanten stelle, seien sehr hoch. Der CSU-Ehrenvorsitzende fügte hinzu: "Das ist nun mal so.“

Wulff selbst sieht wegen des umstrittenen Privatkredits für sein Haus keinen Anlass zum Rücktritt. Wulff nahm am Sonnabendabend persönlich Stellung und betonte, dass er das, was er getan habe, verantworten könne.

Hintergrund ist ein privater Kreditvertrag aus dem Jahr 2008, der laut Wulff mit der Ehefrau des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens geschlossen wurde. Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, steht deshalb seit Tagen unter Druck. Am Freitag hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel“ berichtet, dass der Kredit doch mit dem Freund ausgehandelt worden sei. Wulff ließ über seine Anwälte am Freitagabend mitteilen, das Darlehen stamme von Edith Geerkens.

Am Sonnabendbend wich Wulff am Rande einer Fernsehaufzeichnung in Wittenberg Antworten auf Journalistenfragen zu dem Thema aus: "Das ist natürlich nicht der Ort, zu einem solch wichtigenThema angemessen Stellung zu nehmen“. Er fügte hinzu: "Ich glaube, ich habe alles dazu gesagt - das gilt auch.“

Später äußerte sich Wulff im Hörfunksender MDR Info und machte deutlich, dass er seine Aufgaben weiter wahrnehmen könne. "Die Bürger freuen sich darüber, wenn man sein Amt ausübt, wahrnimmt, ernst nimmt.“ Das sei eigentlich das Wichtige, das Wesentliche, "dass man die Dinge bewertet, beurteilt und dann dazu steht und dann auch unterscheidet, wo ist etwas real und wo ist etwas mit sehr viel Staub aufwirbeln verbunden“. Das müsse man voneinander trennen. Wulff betonte: "Man muss selber wissen, was man macht und das muss man verantworten. Und das kann ich. Und das ist das Entscheidende.“

Weitere Aufklärung verlangt

SPD, Grüne und Linke reichen die bisherigen Erklärungen nicht aus. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte in der ARD, Wulff müsse schnell und offensiv die Dinge auf dem Tisch packen. "Wenn er das nicht kann, dann allerdings sollte er darüber nachdenken, ob er weiter Vorbild in Deutschland sein kann“, fügte Nahles hinzu. Der SPD-Fraktionschef von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, sagte "Handelsblatt online“, sollte Wulff die neuen Vorwürfe nicht "schnell, eindeutig und vollständig“ ausräumen, werde er "der Diskussion um persönliche Konsequenzen nicht ausweichen können“.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sieht Wulff in einer "Bringschuld“. Die Bürger hätten ein Recht zu wissen, was gewesen sei, sagte Künast der "Leipziger Volkszeitung“ (Montagausgabe). Die Bundesvorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, sagte in der ARD, es stelle sich die Frage, ob Wulff für einen Gefälligkeitskredit auch gefällige politische Entscheidungen getroffen habe. Das sei die zentrale Frage und bedürfe der Aufklärung.

Wulff bestritt derweil, dass er den Privatkredit zu einem besonders günstigen Zinssatz bekommen hat. "Der Kredit wurde verkehrsüblich verzinst“, teilten Wulffs Anwälte der "Welt am Sonntag“ auf Anfrage mit. Bestätigt wurde demnach zugleich, dass Edith Geerkens für das Darlehen "keine Sicherheiten“ verlangt habe. Die Frage, ob Wulff bei seiner bisher geäußerten Bewertung bleibe, wonach er die Missverständnisse bedaure, die das Darlehen ausgelöst habe, wurde mit "Ja“ beantwortet.