Während die Opposition weiter hart in mit Wulff ins Gericht geht, nimmt Bundeskanzlerin Merkel sogar im Ausland stellung zu den Vorwürfen.

Pristina/Berlin. Die Kritiker des Bundespräsidenten verstummen nicht. So bleibt Christian Wulff weiter in den Schlagzeilen. Weil er nur über seine Anwälte Stellung bezieht, warf ihm SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag in Berlin ein "merkwürdiges Amtsverständnis" vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm sogar während ihrer Kosovo-Reise Stellung und stärkte Wulff den Rücken.

Wulff gewährte in Berlin über ein Anwaltsbüro Einsicht in seinen umstrittenen Kreditvertrag aus dem Jahr 2008. Daraus ging erwartungsgemäß hervor, dass das Darlehen über 500.000 Euro von Edith Geerkens, der Ehefrau des mit Wulff befreundeten Unternehmers Egon Geerkens, stammt. Vertraglich vereinbart wurde ein Zinssatz von vier Prozent. Der ehemalige Ministerpräsident Niedersachsens hatte Anfang 2010 eine Geschäftsbeziehung zu Egon Geerkens im Landtag verneint. Dabei ließ Wulff unerwähnt, dass er den Kredit mit dessen Ehefrau schloss.

„Glaubwürdigkeitskredit statt Imobilienkredit“

SPD-Generalsekretärin Nahles sagte, der Bundespräsident lege ein merkwürdiges Amtsverständnis an den Tag, wenn er glaube, mit Schreiben von Anwaltskanzleien eine persönliche Erklärung vermeiden zu können. „Ich denke, die deutsche Öffentlichkeit hat ein bisschen mehr als eine Weihnachtsansprache verdient.“

Kritik kam auch von den Liberalen. Der FDP-Abgeordnete Erwin Lotter fordert sogar den Rücktritt Wulffs. „Die Bundesbürger möchten einen Präsidenten, der einen Glaubwürdigkeitskredit hat und nicht einen Immobilienkredit. Ein Rücktritt ist für mich eine Frage des Anstands und der Glaubwürdigkeit“, sagte er der ARD.

Auch der bayerische Landtagsabgeordnete Thomas Dechant legte Wulff den Rücktritt nahe. Dechant sagte dem „Münchner Merkur“ (Dienstagausgabe), das Amt des Bundespräsidenten lebe „vom Vertrauen“. Wulff versuche jedoch, „mit tröpfchenweiser Information die Fakten unter den Teppich zu kehren“.

Linke-Vorsitzender Klaus Ernst sieht das Amt des Bundespräsidenten durch die Kreditaffäre beschädigt. „Ich hoffe, dass es Herrn Wulff gelingt, die Dinge so auszuräumen, dass nichts hängen bleibt“, sagte Ernst in Berlin. Ko-Chefin Gesine Lötzsch forderte eine schnelle und umfassende Aufklärung der Vorwürfe. Wulff solle jetzt beweisen, dass er sich nicht von Großunternehmern abhängig gemacht habe.

Merkel äußert sich sogar in Pristina zu Wulff

Rückendeckung bekam Wulff erneut von der Kanzlerin. „Der Bundespräsident macht eine hervorragende Arbeit“, sagte Merkel während eines Kosovo-Besuchs in Pristina. „Das, was im Raume steht, wird von ihm persönlich aufgeklärt.“ Deshalb sei es richtig und wichtig, dass jetzt die Vertragsunterlagen eingesehen werden könnten. „Und ansonsten hat der Bundespräsident mein vollstes Vertrauen“, sagte Merkel.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), sagte im Bayerischen Rundfunk: „Entscheidend ist, dass man den Bundespräsidenten nicht vorverurteilt.“ Dass Wulff die Urlaube bei befreundeten Unternehmen selbst öffentlich gemacht habe, sei ein wichtiger Schritt zur Aufklärung gewesen. „Im Übrigen ist es auch nicht sensationell, sondern etwas, was ausdrücklich zulässig ist, was auch andere hochrangige Politiker in Anspruch genommen haben in den vergangenen Jahren“, sagte Altmaier.

Änderung der Ehrensold-Regelung gefordert

Der Ältestenrat des niedersächsischen Landtags will am Dienstag der Frage nachgehen, ob Wulff in seiner damaligen Funktion als niedersächsischer Regierungschef gegen das Ministergesetz des Landes verstoßen hat. Die CDU-Fraktion hat indessen vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Wenn der Opposition an einer Aufklärung gelegen sei, müsse das für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein und dürfe nicht hinter den verschlossenen Türen des Ältestenrats stattfinden, sagte CDU-Fraktionschef Björn Thümler in Hannover.

Einen ganz anderen Aspekt brachte der Verfassungsrechtler Hans-Herbert von Arnim ins Spiel und forderte eine Änderung der Ehrensold-Regelung. Danach erhält ein Bundespräsident nach seinem Ausscheiden aus dem Amt lebenslang die vollen Bezüge. Im Falle eines Rücktritts von Christian Wulff würde diese Regelung „den Steuerzahler dann rund neun Millionen Euro kosten“, sagte Arnim der Münchner Zeitung „tz“ (Dienstagausgabe). Wie vor 1959 sollten wieder die halben Bezüge als Pension gelten, sagte Arnim. (dapd)