Die Erwartungen vor dem Gesundheitsgipfel sind nicht sehr hoch. Es wird davon ausgegangen, dass es zu keiner Einigung kommen wird.

Berlin. In Regierungskreisen wurden die Erwartungen gestern gedämpft: Es sei nicht davon auszugehen, dass bei dem am Wochenende stattfindenden Gesundheitsgipfel sonderlich viel herauskomme, hieß es in Berlin. Zwar wolle niemand die Notwendigkeit weiterer Reformen bestreiten, aber inhaltlich, hieß es, lägen die Koalitionspartner noch zu weit auseinander.

Am Freitag und Sonnabend werden sich die Fachpolitiker der drei Regierungsparteien treffen, um zu beraten, wie das Elf-Milliarden-Loch in der gesetzlichen Krankenversicherung gestopft werden kann. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird an diesen Sitzungen nicht teilnehmen. Die Regierungschefin verzichtet auch auf den Versuch, die Knackpunkte vor der Klausur in kleiner Runde mit den Parteivorsitzenden Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) abräumen zu wollen. Zunächst müssten sich die Gesundheitsexperten der Fraktionen zusammensetzen, hieß es aus dem Kanzleramt. Und dass man davon ausgehe, dass weitere Treffen folgen müssten. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger bestätigte diese Einschätzung: "Es ist nicht zu erwarten, dass am Wochenende unser Konzept steht. Das ist überhaupt nicht machbar."

Diese und andere Äußerungen waren auch eine Reaktion auf Medienberichte, die der Gesundheitsklausur eine geradezu schicksalhafte Bedeutung für die Zukunft der Koalition zugeschrieben hatten. Tenor: Das Gesundheitsproblem müsse vom Tisch sein, bevor am 30. Juni der neue Bundespräsident gewählt werde. Gestern hieß es dazu in Berlin, wenn nötig, werde man sich sogar noch in der Sommerpause mit dem Thema weiter beschäftigen. Konkret geht es darum, wie das Milliardenloch, das sich 2011 zwischen den Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auftun wird, gestopft werden soll, nachdem die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler zur Einführung einer einkommensunabhängigen Kopfpauschale seitens der CSU vom Tisch gewischt worden sind.

Den Regierungsparteien ist klar, dass die Ausgaben reduziert werden müssen. Dabei steht auch die Abschaffung der Hausarztverträge zur Diskussion, wie sie CDU und FDP ins Spiel gebracht haben. Hier läge das Einsparvolumen bei 1,5 Milliarden Euro. Doch schon wieder wird aus München Widerstand angemeldet. Die Hausarztmodelle würden von Patienten und Versicherten gut genutzt und seien keine bayerische Domäne, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, "und dann soll es auch dabei bleiben".

Per Gesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten spezielle Hausarzttarife anzubieten. Die Mitglieder verpflichten sich dazu, vor dem Besuch beim Facharzt zunächst den Hausarzt aufzusuchen, im Gegenzug werden sie unter anderem von der Praxisgebühr befreit. Gegner des Modells halten die Regelung für zu teuer. Aus Sicht der FDP gehört sie zu den "großen Brocken", an die man sich jetzt wagen sollte. Das meinte gestern die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrike Flach, die an der Gesundheitsklausur teilnehmen wird.

Der von der CSU im Zusammenhang mit der Kopfpauschale rüde vor den Kopf gestoßene Rösler kann unterdessen davon ausgehen, dass der Handlungsdruck auf die Neinsager aus Bayern zunimmt. Doppeldeutig sagte Rösler dem "Stern": "Man kann auch Vertrauen verlieren, wenn man sein Handeln nicht ausreichend an den Realitäten orientiert." Indirekte Unterstützung erhielt der FDP-Minister aus Merkels Parteizentrale. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bekannte sich zu lohnunabhängigen Beiträgen für die Versicherten. Unumstritten sei, dass die steigenden Gesundheitskosten von den Arbeitskosten teilweise entkoppelt werden müssten. Da stehe die Koalition "vor unpopulären Schritten". FDP-Chef Guido Westerwelle warnte die CSU vor einer neuerlichen Blockade. Wie der "Tagesspiegel" berichtete, soll der Vizekanzler Seehofer im Koalitionsausschuss sogar offen gedroht haben. Zitat: "Wir sind nicht bereit, so eine politische Gemengelage wie vor 14 Tagen noch einmal hinzunehmen." Das bezog sich auf die Abfuhr, die Seehofer Rösler im Anschluss an dessen Vermittlungsbesuch in München erteilt hatte.